Die Schweiz und Liechtenstein bilden seit 1923 eine Zollunion. Bei den US-Zöllen wollte Liechtenstein eine gemeinsame Lösung mit der Schweiz und hat mit ihr zusammen mit den USA verhandelt. Doch US-Präsident Donald Trump brummt dem Fürstentum nur 15 Prozent Zolltarif auf – befürchtet wurden 37 Prozent. Die Schweiz hoffte auf 10 Prozent, es wurden 39.
Er könne über die Gründe nur spekulieren, sagt Andreas Brunhart. Er forscht am Liechtenstein-Institut zu volkswirtschaftlichen Fragen. Für ihn gibt es jedoch einen wahrscheinlichen Grund: Liechtenstein gehört dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) an: «Man ist beim gleich hohen Zoll wie die EU gelandet, und auch für die beiden anderen EWR-Staaten Island und Norwegen gelten 15 Prozent.»
Auch Gerald Hosp, Geschäftsführer der Stiftung Zukunft Liechtenstein, einer liberalen Ideenschmiede für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, hegt die gleiche Vermutung: Die Schweiz ist beim EWR nicht dabei.
Andere Gründe bringt niemand ein. Auch Hubert Büchel nicht, der Wirtschaftsminister des Fürstentums: «Wie die verschiedenen Tarife zustande gekommen sind, wird derzeit noch eruiert.» Was keiner verbindlich begründen kann, ist für Hosp schlicht «nicht nachvollziehbar».
Handelsbilanzdefizit dient nicht als Erklärung
Die relative Grösse des Exportüberschusses wäre vielleicht noch ein logischer Grund für unterschiedliche Zolltarife, erklärt Ökonom Brunhart: «Die Schweiz hat 2024 ungefähr viermal so viele Güter in die USA exportiert, wie sie von dort importiert hat. Bei Liechtenstein waren es aber ungefähr elfmal so viele Exporte in die USA wie Importe.»
So wie die Zölle jetzt festgelegt sind, haben Liechtensteiner Firmen, die mit Schweizer Unternehmen in den USA konkurrieren, einen Vorteil. Bei gleicher Währung seien sie prinzipiell konkurrenzfähiger, sagt Hosp von der Denkfabrik.
Könnten somit Schweizer Unternehmen, die unter den hohen Zöllen ächzen, ihre Waren innerhalb der Währungs- und Zollunion über Liechtenstein in die USA verkaufen und vom tieferen Tarif profitieren? Theoretisch möglich, sagt Hosp. Aber: «Nur eine Exportadresse in Liechtenstein reicht dafür nicht.»
Wir sitzen im gleichen Boot und werden gemeinsam mit der Schweiz schauen, wie es weitergeht.
Im Vorteil wären wenn schon Firmen, die bereits in Liechtenstein einen Betrieb haben. Dann könnte vielleicht über diese exportiert werden. Prinzipiell hätten Güter aus der Zollunion das Ursprungsland Schweiz. Doch Liechtenstein könne ebenso als Ursprungsland bezeichnet werden. Das müsste dann jedoch auch den Bedingungen entsprechen, die die USA stellen würden.
Riskante «Umgehungshandlungen»
Einfach so Waren über das Fürstentum umzuleiten, wäre heikel, sagt Hosp. «Ein starker Anstieg von Exporten aus Liechtenstein würde auffallen, zumal die Schweiz jetzt im Fokus steht.» Vorsicht also mit Schlaumeiereien und Umgehungshandlungen. Auch Ökonom Brunhart hält solche Manöver für riskant: «Die US-Administration hat bereits hohe Strafzölle für solche Umgehungshandlungen angekündigt.»
Im gemeinsamen Wirtschaftsraum scheint das Fürstentum mit seinem viel tieferen Zolltarif gegenüber der Schweiz leicht im Vorteil zu sein. Doch Liechtenstein hängt auch am Schicksal der Schweiz. Diesbezüglich gebührt das Schlusswort dem Wirtschaftsminister Büchel: «Wir sitzen im gleichen Boot und werden gemeinsam schauen, wie es weitergeht.»
Wie es weitergeht, kann derzeit aber kaum jemand sagen.