Zum Inhalt springen

Ukraine-Konflikt Was macht die Schweiz?

Soll sich die Schweiz den Sanktionen gegen Russland anschliessen? Oder bloss Umgehungsgeschäfte verhindern?

Heute hat der Bundesrat über die Situation in der Ukraine beraten. Dabei stellt sich auch die Frage nach Sanktionen gegen Russland, nachdem Präsident Wladimir Putin den Ukraine-Konflikt eskaliert hat. Bereits haben die EU, Grossbritannien, die USA, Kanada oder Japan – um nur einige zu nennen – Sanktionen gegen Moskau verfügt. Das könnte die Schweiz auch tun, obwohl sie sich der Neutralität verpflichtet hat.

«Die Schweiz kann sich an Wirtschaftssanktionen beteiligen oder selber solche verhängen», sagt die Völkerrechtsprofessorin Anna Petrig von der Universität Basel.

Moskau beging klaren Völkerrechtsbruch

Dabei müsse man aber zwischen Neutralitätsrecht und Neutralitätspolitik unterscheiden: Das Neutralitätsrecht steckt dabei den Rahmen eng ab. So darf die Schweiz keine Partei unterstützen, die in einen Konflikt verwickelt ist, etwa mit Waffenlieferungen.

Russland verstösst gegen das Gewaltverbot – eine zentrale Regelung des Völkerrechts.
Autor: Anna Petrig Völkerrechtsprofessorin, Universität Basel

Weniger trennscharf sind dagegen neutralitätspolitische Überlegungen. Gemäss diesen sollte die Schweiz zu allen Konfliktparteien den gleichen Abstand bewahren und sich nicht auf eine Seite schlagen, so Petrig.

Tanks auf Eisenbahnwagen.
Legende: Russische Tanks werden in Richtung ukrainischen Donbass verschoben. Aufnahme von einem Bahnhof in der Region des russischen Rostow am Don, rund 70 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Keystone

Im Fall des Ukraine-Konflikts sei die Lage klar: Russland breche das Völkerrecht mit dem Einmarsch seiner Truppen in die ostukrainischen Separatistengebiete «ganz klar».

«Es ist ein Verstoss gegen das Gewaltverbot – eine zentrale Regelung des Völkerrechts», stellt Petrig fest. Wenn sich die Schweiz hier nicht genau positioniere, könnte das bedeuten, dass sie den Völkerrechtsbruch gutheisst. «Das könnte ihrer Neutralität schaden.»

Drei Arten von möglichen Sanktionen

Zu unterscheiden sind drei verschiedene Sanktionsarten, wie Petrig ausführt:

  • Sanktionen des UNO-Sicherheitsrats muss die Schweiz übernehmen – so wie sie das etwa im Fall der Taliban oder der Al-Qaida getan hat. Im Fall der Ukraine ist das wegen des russischen Vetorechts im UNO-Sicherheitsrat allerdings ausgeschlossen.
  • Einreisesperren verhängen oder Diplomaten ausweisen: Mit solchen Massnahmen hielte sich die Schweiz noch immer ans Völkerrecht.
  • Repression: Die Schweiz würde einen gültigen Vertrag brechen, was eigentlich völkerrechtswidrig wäre. Weil dies aber als Reaktion auf einen Völkerrechtsbruch geschieht, ist das gemäss Völkerrecht zulässig. Dazu würden etwa die Beschlagnahmung von Vermögen gehören oder Kreditsperren.

Gleiche Massnahmen wie 2014?

Es ist gut möglich, dass sich der Bundesrat gleich wie 2014 – nach der Annexion der Krim durch Russland – entscheidet und Massnahmen trifft, um die Umgehung von Sanktionen der EU via Schweiz zu verhindern.

Eigenständige Sanktionen ergriff die Schweiz damals nicht – wohl aus politischen Gründen, sagt Völkerrechtlerin Petrig. Eine ähnliche Erklärung kam am Dienstag von Livia Leu, der Staatssekretärin des Aussendepartements.

Was auch immer der Bundesrat entscheidet: Im Alleingang, also unilateral, treffe die Schweiz sowieso keine Sanktionen, betonte Leu. Denn das Schweizer Recht sehe einen Nachvollzug vor. Für ein kleines Land wie die Schweiz mache es vor allem Sinn, «sich im Verbund mit anderen Akteuren zu engagieren».

Es wird erwartet, dass Bundespräsident Ignazio Cassis noch heute bekannt geben wird, welche Entscheide der Bundesrat in der aktuellen Situation getroffen hat.

Rendez-vous, 23.02.2022, 12:30 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel