Vor vier Wochen starb Julia (Name von der Redaktion geändert) an Brustkrebs. Sie wurde gerade einmal 50 Jahre alt. Der St. Galler Arzt Manfred Doepp behandelte sie zuvor monatelang. Julia lehnte die Schulmedizin ab. Deshalb ging sie zum Arzt Manfred Doepp. Er versprach Besserung auf natürlichem Weg. Zehn Monate später ging sie mit unerträglichen Schmerzen in eine Klinik. Zu spät.
Julias Mutter sah den «Kassensturz»-Beitrag über Manfred Doepp. Auch da ging es um einen Krebspatienten, der nach monatelanger Behandlung starb. Julias Mutter meldet sich bei «Kassensturz»: «Meine Tochter kehrt nicht mehr ins Leben zurück, aber andere sollten davor gewarnt werden, sich an diesen Arzt zu wenden.»
Krebstherapie mit Enzymen für Verdauungsprobleme
Julia nahm auf Doepps Anordnung hin monatelang für Tausende Franken enzymhaltige Nahrungsergänzungsmittel wie Citozym ein. Das Mittel hilft bei Verdauungsproblemen. Citozym aber als Krebstherapie oder Begleitung einer Therapie zu verkaufen, sei Humbug, sagt Thomas Cerny, einer der renommiertesten Krebsforscher der Schweiz: «Dieses Prinzip ist völlig unwirksam. Man kann nicht Verdauungsenzyme schlucken und damit einen Tumor beeinflussen.» Zudem kritisiert Cerny: «Wenn man eine Therapie zehn Monate laufen lässt, ohne zu prüfen, ob sie wirksam ist, dann hat man die Sorgfaltspflicht verletzt.»
Ausschnitte aus dem Interview mit Krebs-Spezialist Dr. Thomas Cerny
Manfred Doepp behandelte Julia ohne die üblichen Abklärungen bei Krebs. Ohne bildgebende Verfahren, ohne Biopsie. Das habe Julia abgelehnt, erklärt Doepp im Interview mit «Kassensturz». Er habe mittels Fotos und Abtasten festgestellt, dass seine Behandlung wirke: «Der Tumor wurde kleiner. Die Patientin wurde dreimal pro Woche fotografiert. Darauf sah man deutlich die Entwicklung.» Die Fotos könne er «Kassensturz» aber nicht zeigen.
Jahrelang wirkungslose Produkte verkauft
Doepp sagt, er behandle ganzheitlich mit allen Methoden der Naturheilkunde. Auf den Vorwurf, er habe seine Sorgfaltspflicht verletzt, betont er: «Wir haben auf die Patientin eingewirkt, sich bitte behandeln zu lassen: Operation, Chemotherapie.» Und weiter: «Ich habe ihr gesagt, was die Schulmedizin tun würde und sie hat gesagt, das tue sie nicht.» Schriftliche Belege dafür gibt es nicht.
Manfred Doepps Name tauchte schon früher bei «Kassensturz»-Recherchen auf. Jahrelang hat er wirkungslose Produkte verkauft wie Amulette gegen Elektrosmog oder Steine, die positive Informationen senden. Fragwürdig auch der Timewaver – eine Art Körperscanner, von dem Doepp schwärmt: «Er arbeitet jenseits von Raum und Zeit. Wir können also in der Vergangenheit arbeiten sogar in der Zukunft.» Der Timewaver findet gesundheitliche Defizite, für deren Behandlung Doepp dann Nahrungsergänzungsmittel verkauft.
Gesundheitsdepartement St. Gallen hat Untersuchung eingeleitet
Unmittelbar nach dem ersten «Kassensturz»-Bericht wurden die Behörden aktiv. Das Gesundheitsdepartement des Kantons St. Gallen leitete eine Untersuchung gegen Doepps Praxis in Abtwil (SG) ein. Es geht um möglicherweise «ungeeignete» Behandlungs-Methoden.