Zum neuen Vertragspaket zwischen der Schweiz und der EU waren lange Zeit vor allem die Gegner zu hören. Doch während des Sommers haben sich die Befürworter aus der Wirtschaft immer mehr in der Öffentlichkeit bemerkbar gemacht. Mit Plakaten und Fahnen ist die Ja-Kampagne lanciert worden. Allerdings formiert sich aus der Wirtschaft auch die Gegnerschaft mit einem eigenen Netzwerk. Die wichtigsten Fragen dazu beantwortet Bundeshausredaktor Andreas Stüdli.
Wie ist die Ja-Kampagne angelaufen?
Die Allianz «stark + vernetzt» hat während des Sommers Werbung mit Wanderwegweisern und einer grillierten Cervelat geschaltet. Diese Bilder waren etwa an Bahnhöfen in der Schweiz zu sehen. Koordiniert wird die Allianz vom Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. Ziel sei es, eine positive Emotionalität zu schaffen, sagt Economiesuisse-Direktorin Monika Rühl.
Wie reagieren die Gegner darauf?
«Wir müssen dem jetzt nicht begegnen», sagt Philip Erzinger, Geschäftsführer der Bewegung Kompass Europa, die auch hinter der Kompass-Initiative steht. Diese Initiative verlangt, dass bei Abstimmungen über weitreichende Staatsverträge nicht nur das Volksmehr gilt, sondern auch die Mehrheit der Kantone erforderlich ist. Dieses Ständemehr sieht der Bundesrat bislang bei den EU-Verträgen nicht vor. Das Ja-Lager könne die Bahnhofstrasse zukleben, es sei ja noch keine Volksabstimmung in Sicht, so Erzinger. Hingegen dürfte die Kompass-Initiative in den nächsten Wochen bei der Bundeskanzlei eingereicht werden.
Wie steht es um die Netzwerke von Befürwortern und Gegnern?
Die schon 2015 gegründete Allianz «stark + vernetzt» zählt nach eigenen Angaben über 10'000 Mitglieder. Zahlreiche Wirtschaftsverbände sind Mitglied, aber auch Parteien wie die Grünliberalen, die EVP, die Mitte und die FDP. «Economiesuisse vertritt nicht die ganze Wirtschaft», betont Philip Erzinger von Kompass Europa. Auch die 2021 gegründete Allianz Kompass Europa kann auf die Unterstützung von Persönlichkeiten aus der Wirtschaft, der Politik, der Gesellschaft, Kultur und Sport zählen. Seit der Gründung sind fast 50 Regionalkomitees entstanden und Kompass Europa ist auf über 4'500 Mitglieder angewachsen. Monika Rühl von Economiesuisse macht die Gegnerschaft «für den Moment nicht allzu viele Sorgen». Auch weil die Follower der Gegnerschaft in der Minderzahl seien.
Was sind die nächsten Schritte?
Die Ja-Allianz versucht, sich in den nächsten Monaten so breit wie möglich aufzustellen. Noch haben Parteien wie die Mitte und die FDP nicht Stellung zu den Verträgen mit der EU bezogen. Und auch nicht alle Verbände haben sich positioniert. Die Gegnerschaft von Kompass Europa ist der Ansicht, dass die Skepsis auch in diesen Parteien am Wachsen sei. Kurzfristig versuchen also beide Lager, die wichtigen Parteien in der Mitte auf ihre Seite zu ziehen.
Was ist die langfristige Strategie?
Beide Allianzen bereiten sich auf die Volksabstimmungen zu den EU-Verträgen vor. Diese finden frühestens 2027 statt. Während die Ja-Allianz «stark + vernetzt» die Botschaft platziert, dass die Vorteile überwiegen würden, sieht dies die Gegnerschaft anders. Beide Allianzen wollen die Schweizer Politik also auf Jahre hinaus beeinflussen. Und das im Umfeld der Zollverhandlungen mit den USA, die je nach Ausgang im Herbst dem Vertragspaket mit der EU Aufwind verleihen könnten – oder auch nicht. Die Stärke der Bewegungen auf beiden Seiten wird mitentscheidend sein, welches Lager an der Urne dereinst die Oberhand gewinnt.