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Zu wenig Betreuerinnen Kantönligeist gefährdet Qualität von Kindertagesstätten

Die Anforderungen an die Betreuungsschlüssel in den Kitas sind kantonal verschieden. Experten halten sie für ungenügend.

Wie viele Kleinkinder darf eine Mitarbeiterin betreuen und welche Ausbildung muss diese mitbringen? Der sogenannte Betreuungsschlüssel ist zentral für die Qualität einer Kindertagesstätte.

Doch genau dieses Kriterium ist in der Schweiz nicht einheitlich geregelt. SRF hat die Mindestanforderungen oder Empfehlungen aller Deutschschweizer Kantone recherchiert und verglichen.

Fünf oder acht Kinder pro Gruppe

Die Unterschiede sind gross: Bei Kleinkindern zwischen 18 Monaten und vier Jahren sind die Kantone Aargau, Basel-Stadt, Luzern und Nidwalden am strengsten. Sie verlangen einen Schlüssel von einer Betreuerin auf fünf Kinder.

Betreuungsschlüssel in Kindertagesstätten

Zum Vergleich: In den Kantonen Wallis, Thurgau, St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden darf sich eine Betreuerin um bis zu acht Kinder kümmern.

Auch Praktikantinnen zählen mit

Wohlgemerkt: In den allermeisten Kantonen kann die Betreuungsperson auch eine Praktikantin sein – sofern in der Gruppe eine ausgebildete Betreuungsperson anwesend ist. Zum Beispiel darf eine Gruppe von zwölf Kindern von einer Ausgebildeten und einer Praktikantin betreut werden.

«Aus wissenschaftlicher Sicht ist kein Kanton genügend», sagt Annika Butters, Pädagogin am Zürcher Marie-Meierhofer-Institut für das Kind. Internationale Studien würden zeigen, dass eine ausgebildete Fachperson für eine optimale Qualität maximal drei Kinder bis drei Jahre und maximal vier Kleinkinder bis vier Jahre betreuen sollte.

er Betreuungsschlüssel bestimme, wie das Personal auf die Kinder eingehen kann. Es gebe Kinder, die leiden besonders stark, wenn sie nicht genügend Aufmerksamkeit erhielten.

Eine Betreuerin für vier Säuglinge

Besonders wichtig ist der Betreuungsschlüssel bei Säuglingen bis 18 Monaten. Dort empfiehlt die Expertin, dass eine Person sich maximal um zwei Säuglinge kümmern muss. Die Realität ist weit davon entfernt. In den meisten Kantonen muss sich eine Betreuerin um bis zu vier Säuglinge kümmern.

Auch im internationalen Vergleichen steht die Schweiz nicht gut da. Vor allem der Ausbildungsstand des Kita-Personals lasse mit rund der Hälfte nicht Ausgebildeten zu wünschen übrig. Zu bedenken sei auch, dass zum Beispiel in nordischen Ländern längere Mutterschaftsurlaube gelten, sagt die Pädagogin. Die Säuglinge kommen in der Schweiz also in jüngerem Alter in die Krippe.

Mehr Personal führt zu höheren Preisen

Doch so schnell dürfte sich am Zustand nichts ändern. Denn es ist auch eine Frage der Kosten. «Eine gute Qualität ist wichtig, aber die Bezahlbarkeit der Krippenplätze ist auch wichtig», schreibt die Schweizerische Sozialdirektorenkonferenz (SODK) auf Anfrage.

Wenn mehr Personal angestellt würde, steigen die Betreuungskosten. Und gerade der Mittelstand habe dann ein Problem, solche Plätze auch bezahlen zu können. Ausserdem bestehe schon jetzt ein akuter Mangel an Fachkräften.

Krippenverband will mehr Geld

In einem Positionspapier fordert der Krippenverband Kibesuisse eine grundlegende Auseinandersetzung mit der Qualität in der familienergänzenden Betreuung. Es gehe um das Wohl der Kinder. Dabei seien auch strengere einheitliche Vorgaben für den Betreuungsschlüssel zentral.

Mehr Personal sei nötig – und mindestens zwei Drittel davon müsste aus Ausgebildeten bestehen. Und damit die Preise für die Krippenplätze bezahlbar bleiben, brauche es eine Milliarde Franken zusätzlich vom Staat.

10vor10, 21.07.2020, 21:50 Uhr

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