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Bundesrat Guy Parmelin «Das Mercosur-Abkommen bringt die Landwirtschaft nicht in Gefahr»

Nach acht Jahren Verhandlungen hat Wirtschaftsminister Guy Parmelin am 16. September in Brasilien das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten unterzeichnet.

Guy Parmelin

Bundesrat

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Guy Parmelin ist seit 2016 Bundesrat. Der SVP-Politiker wurde 2015 als Nachfolger der zurückgetretenen Eveline Widmer-Schlumpf (BDP) in die Regierung gewählt. Seit 2019 ist Parmelin Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung. Er ist 1959 geboren und war bis zu seiner Wahl in den Bundesrat als Meisterlandwirt und -weinbauer tätig. 2003 wurde er für den Kanton Waadt in den Nationalrat gewählt.

SRF News: Welche Bedeutung hat das Freihandelsabkommen?

Guy Parmelin: Das ist sehr wichtig, es bringt Sicherheit und Diversifizierung. 180 Millionen Franken Zoll werden abgebaut. Für unsere Wirtschaft, besonders für unsere KMU, ist das angesichts der geopolitischen Situation – Protektionismus und internationale Lage – wichtig.

Mit Blick auf die USA: Inwiefern gewinnt das Abkommen mit den Mercosur-Staaten an Bedeutung?

Es bringt mehr Diversifizierung, Alternativen und Rechtssicherheit. Wir öffnen neue Märkte für unsere Wirtschaft und unsere KMU. Wir haben über acht Jahre verhandelt, es gab einige Regierungswechsel in Südamerika. Jetzt kommt der Abschluss des Freihandelsabkommens in einem guten Moment angesichts geopolitischer Machtdemonstrationen und Powerplay.

Mercosur Freihandelsabkommen

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Am 2. Juli haben die EFTA-Staaten Schweiz, Liechtenstein, Island und Norwegen die Verhandlungen für das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) abgeschlossen.

Die Schweiz verspricht sich viel vom Abkommen: In den Mercosur-Staaten leben über 270 Millionen potenzielle Konsumentinnen und Konsumenten für Schweizer Waren. 2024 exportierte die Schweiz Waren im Wert von mehr als vier Milliarden Franken. Im Vergleich zu den Exporten in die USA ist das wenig: 2024 exportierte die Schweiz Waren für 53 Milliarden Franken in die USA.

Bisher gilt in den Mercosur-Staaten im Schnitt ein Zoll von sieben Prozent. Künftig wären 95 Prozent der Ausfuhren dorthin zollbefreit. Das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco geht von einem Einsparpotenzial an Zöllen von 180 Millionen Franken pro Jahr aus.

Umgekehrt lockert die Schweiz ihren Agrarschutz für Importe aus den Mercosur-Staaten. Sie erlaubt etwa Zollkontingente für Rindfleisch (3000 Tonnen), Geflügel (1000 Tonnen) und je 200 Tonnen Lamm- und Schweinefleisch. Auch 3000 Tonnen Soja- und Erdnussöl sowie 1000 Tonnen Olivenöl sollen zollfrei in die Schweiz importiert werden können. Insgesamt gewährt die Schweiz den Mercosur-Staaten 25 Zollkontingente.

Kritik äussern vor allem die Bauern. Sie befürchten eine Zunahme von Fleischimporten – vor allem Rindfleisch und Geflügel: Was sagen Sie zu diesen Befürchtungen?

Das sind übertriebene Befürchtungen. Das sind kleine Kontingente, die das konsolidieren, was bereits heute schon existiert. Es handelt sich vor allem um Konzessionen im Pflanzenbau. Das wird die Landwirtschaft nicht in Gefahr bringen. Im Fall von Problemen haben wir eine Schutzklausel, die wir aktivieren könnten.

Zum Thema Nachhaltigkeit haben wir ein ganzes Kapitel verhandelt.

Die Grüne Partei droht mit einem Referendum: Welche Trümpfe haben Sie in der Hand, damit das Freihandelsabkommen nicht an einem Referendum scheitert?

Wir haben gute Argumente in Sachen Nachhaltigkeit, dazu haben wir ein ganzes Kapitel verhandelt. Darin ist enthalten, dass die indigene Bevölkerung einbezogen wird. Konkret ist darin festgehalten, dass wir uns gegen die Abholzung der Wälder einsetzen. Das ist wichtig für die Zukunft. Das Abkommen sieht Klauseln vor, die den Ländern verbieten, Normen zu schwächen, um mehr Handel treiben zu können.

Reaktionen auf die Unterzeichnung

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Bauernverbandspräsident Markus Ritter sagt gegenüber SRF, dass der Bauernverband das Abkommen sehr genau prüfen werde. So wie das Abkommen jetzt daher komme, brauche es aus Sicht der Bauern Begleitmassnahmen im Bereich von Rindfleisch und Wein, um die Investitions- und Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft zu erhalten. Das Referendum werde der Bauernverband nicht ergreifen: «Aber wir würden die Vorlage nicht aktiv unterstützen und das wäre ein Problem, um eine Volksabstimmung gewinnen zu können.»

Rudolf Minsch, Chefökonom Economiesuisse, sagt, die Exportvolumen mit den Mercosur-Staaten seien heute nicht gewaltig: «Aber wir schätzen, dass sie sich in den nächsten zehn Jahren verdoppeln können. Es ist ein Zukunftsversprechen, weil wir davon ausgehen können, dass der Markt wächst. Die Leute werden reicher, werden kaufkräftiger und können sich Produkte leisten, die die Schweizer Wirtschaft herstellt.»

Für Thomas Cottier, emeritierter Professor für internationales Wirtschaftsrecht der Universität Bern, ist das Abkommen ein politisches Signal, dass man zum multilateralen System stehe und regelbasierten Handel betreiben wolle: «Es öffnet, wirtschaftlich gesehen, der Schweizer Exportindustrie weiter Türen, was sehr positiv ist. Aber man kann sicher nicht erwarten, dass das den Handel mit den USA ersetzen könnte.»

Mit den USA sind Zölle in der Höhe von 39 Prozent gegenüber der Schweiz in Kraft. Welches Update haben Sie für uns?

Wir stehen weiterhin in Diskussion mit den USA. Mehr kann ich nicht sagen.

Die Schweiz als kleine exportorientierte Volkswirtschaft – wenn Sie auf alle Handelsbeziehungen schauen: Wie ist die Schweiz heute aufgestellt?

Wir sind gut vernetzt. Wir verfügen über mehr als 30 Freihandelsabkommen. Das Freihandelsabkommen mit Indien tritt am 1. Oktober in Kraft. Mit Mercosur, mit Malaysia und Thailand sind wir auf gutem Weg. Aktuell modernisieren wir die Freihandelsabkommen mit China und Grossbritannien. Wir haben Zeichen von Mexiko, Kanada und Südafrika, dass sie interessiert sind, Verhandlungen aufzunehmen.

Bundesrat Guy Parmelin
Legende: Im Juli 2025 verkündete Bundesrat Guy Parmelin den Abschluss der Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten. Keystone/Ennio Leanza

Sie finden also, die Schweiz ist an einem guten Punkt in ihren Handelsbeziehungen?

Ja, natürlich. Das bedeutet aber auch viel Arbeit: Wir sind ständig gefordert, gute Ideen einzubringen. Das Wichtigste für uns ist, unserer Wirtschaft mehr Diversifizierung zu ermöglichen. Mit Protektionismus und der aktuellen geopolitischen Situation wird das immer schwieriger. Wir dürfen nicht vergessen: Die EU steht vor der Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens mit den Mercosur-Staaten. Sobald das geschehen ist, kann das Abkommen angewendet werden: Das würde heissen, dass die EU im Handel mit den Mercosur-Staaten gegenüber der Schweiz einen Vorteil von 30 bis 35 Prozent Differenz bei den Zöllen hätte. Für unsere Wirtschaft wäre das untragbar.

Das Interview führte Matthias Pfander.

10vor10, 16.9.2025, 21:50 Uhr ; 

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