Es waren saftige Schlagzeilen in der internationalen Presse und in den Publikationen des Tamedia-Verbundes im April: Bei der Genfer Privatbank Reyl gebe es schwere Mängel im Risikomanagement. Die Finanzmarktaufsicht Finma habe bei Reyl jahrelang Missstände kritisiert, die Bank habe Gelder von Autokraten entgegengenommen, von der Drogenmafia und von russischen Oligarchen und Kriegssponsoren. Und dies alles unter den Augen der ehemaligen Justizministerin Ruth Metzler, die im Verwaltungsrat der Bank Reyl sass.
Reyl klagte ohne Erfolg
Die Bank, besorgt um ihr Image, klagte erst erfolglos gegen die Publikation und dann gegen die Medienschaffenden. Und sie forderte Hausdurchsuchungen in den Redaktionsbüros und bei den Journalisten. Doch nun hat die Genfer Staatsanwaltschaft entschieden, nicht auf die Strafklage einzutreten.
In diesem Entscheid zeigt sich, dass die Staatsanwaltschaft unter diesen Bedingungen nicht gegen Journalistinnen und Journalisten vorgehen will.
Oliver Zihlmann, Leiter des Recherchedesks von Tamedia und einer der involvierten Journalisten, ist erleichtert: «Ich bin ausgesprochen froh darüber, wie die Genfer Staatsanwaltschaft entschieden hat. Denn in diesem Entscheid zeigt sich, dass sie nicht gegen Journalistinnen und Journalisten unter diesen Bedingungen vorgehen will.»
«Unter diesen Bedingungen» – das heisst, die Strafbehörden konnten nicht feststellen, wie die Bankdaten an die Finma und an die Medien gelangt waren. Somit lasse sich auch niemandem eine Verletzung des Bankgeheimnisses nachweisen. Umgekehrt aber bedeutet das: Würde der Datendieb dereinst doch noch ermittelt und gefasst, dann könnten auch die Medienschaffenden wieder zur Rechenschaft gezogen werden.
Solange so ein Fall nicht bis zum höchsten Gericht durchgefochten wird, besteht eine gewisse Rechtsunsicherheit und damit eine gewisse Angst, solche Daten zu publizieren.
Und diese latente Gefahr könne die Arbeit der Investigativjournalisten behindern, warnt Zihlmann: «Wir sprechen von einem Chilling-Effekt, von einem abschreckenden Effekt. Er bleibt bestehen, auch mit dieser Verfügung der Staatsanwalt. Das Risiko ist nach wie vor sehr hoch. Solange so ein Fall nicht bis zum höchsten Gericht durchgefochten wird, besteht eine gewisse Rechtsunsicherheit und damit eine gewisse Angst, solche Daten zu publizieren.»
Im Ausland wurden mehr Details bekannt
So ist auch zu erklären, dass im Fall der Bank Reyl die ausländischen Medien, die an der Recherche beteiligt waren, mehr Details und Namen enthüllten als die Tamedia-Zeitungen.
Der Entscheid aus Genf ist kein Freipass für den Umgang mit gestohlenen Bankdaten. Er stellt nicht die Pressefreiheit über das Bankgeheimnis. Das Bankgeheimnis sei und bleibe sehr gut geschützt, das stellt auch der Medienanwalt Manuel Bertschi fest: «Artikel 47 des Bankengesetzes geht sehr weit. Es ist nicht nur verboten, derartige Daten zu publizieren, sondern bereits die Weitergabe, das Recherchieren und Auswerten solcher Daten wäre gemäss meiner Auffassung kriminialisiert. Das macht diesen Tatbestand so giftig, weil er sehr weit greift.»
In einem früheren Fall, bei den sogenannten Suisse Secrets, verzichtete Tamedia gar auf die Publikation von Informationen aus einem internationalen Rechercheprojekt zu dubiosen Kunden der Grossbank Credit Suisse.
Für Medienanwalt Bertschi von der Zürcher Kanzlei «4sightlegal» ist darum klar: «Wenn man als Journalist oder Journalistin gar nicht mehr so weit kommen kann, intern abzuwägen, ob an Daten oder an der Publikation davon ein öffentliches Interesse besteht, sondern wenn es vorher schon verboten ist zu recherchieren, dann greift dies die Essenz des Investigativjournalismus an.»