Zum Inhalt springen

Einwegplastik in der Schweiz Greenpeace fordert ein generelles Verbot von Wegwerfprodukten

Anders als in der EU sind in der Schweiz Einwegprodukte aus Plastik nicht verboten. Umweltschützer finden das schlecht.

Von der Berner Kirchenfeldbrücke hoch über der Aare baumeln riesige farbige Messer, Gabel und Löffel. Und Aktivisten der Umweltorganisation Greenpeace, die an Seilen gesichert dafür sorgen, dass sich das übergrosse Besteck und die Transparente nicht ineinander verwickeln. Im Hintergrund spielt eine Band, es wird getanzt, die Polizei lässt die Aktivisten gewähren.

Greenpeace-Aktion: Einwegplastik soll auch in der Schweiz verboten werden.
Legende: Greenpeace-Aktion: Einwegplastik soll auch in der Schweiz verboten werden. SRF

Bei der Aktion dabei ist Florian Kasser, er ist bei Greenpeace für das Thema Abfall zuständig. Er versteht nicht, wieso die Schweiz beim Plastikverbot der EU nicht mitmacht: «Die EU kann es. Es gibt grossen Ärger in der Bevölkerung in diesem Zusammenhang. Greenpeace findet, in der Schweiz müsste es auch ein Verbot von Einwegartikeln geben.»

Verpackungen liegen überall herum

Einwegverpackungen aus Plastik verärgern die Menschen, weil sie in Parks, an Seeufern oder im Wald liegenbleiben. Gleichzeitig findet Kasser, das EU-Verbot gehe zwar in die richtige Richtung, greife aber zu kurz: «Leider umfasst das Verbot nur Plastik, und nicht allgemein Wegwerfartikel. Das finden wir schade, weil es eine Verlagerung auf andere Materialien geben wird.»

Verbot von Einwegplastik in der EU

Box aufklappen Box zuklappen

Am Wochenende hat in den EU-Mitgliedstaaten ein neues Abfallzeitalter begonnen: Einwegplastik ist ab sofort verboten. Dazu gehören Besteck, Teller und Becher aus Plastik genauso wie Trinkröhrchen, Wattestäbchen und Luftballonstäbe aus Plastik. Auch To-Go-Behälter aus Styropor sind verbannt. Damit will die EU nicht nur der Wegwerfgesellschaft etwas entgegensetzen, sondern auch erreichen, dass weniger Plastik in die Natur gelangt. Die Schweiz hat sich diesem Verbot nicht angeschlossen.

Zum Beispiel auf Glas, Karton, Aluminium: Würden diese Gegenstände nur einmal genutzt, sei das genau derselbe Ressourcenverschleiss wie beim Plastik, sagt der Greenpeace-Experte: «Einwegflaschen sind überhaupt nicht ökologisch, auch wenn sie recycelt werden. Wir stellen uns ein System vor, das umfassend auf Kreislaufwirtschaft basiert und nicht nur einen Stoff rezykliert.»

Wegwerfstyropor
Legende: Wegwerfstyropor ist in der EU auch verboten. Keystone

Weg von den Einwegartikeln hin zu Mehrwegartikeln: Greenpeace will mit einer Aktionswoche Konsumenten und Konsumentinnen für das Thema sensibilisieren. Eine Woche lang sollen alle auf Einwegartikel verzichten.

Auch Verband bevorzugt Kreislaufwirtschaft

In Zürich hält der Verband Kunststoff Schweiz seine Jahreskonferenz ab. Verbandspräsident Silvio Ponti ist zwar froh, dass die Schweiz beim EU-Kunststoffverbot nicht mitmacht. Er argumentiert interessanterweise aber gleich wie Greenpeace. Es gehe nicht um Plastik, sondern generell um Littering: «Das ist materialunabhängig. Man findet nach den Wochenenden Glas, Aluminium, Pizzaschachteln, Bierdosen und alles an beliebten Plätzchen. Kunststoff macht nur einen geringen Teil davon aus.»

Plastik mache in der Schweiz nur ein Prozent des Abfalls aus, der im Freien liegen bleibe, sagt Ponti. Glas sei beispielsweise das grössere Problem: «Ich trete mit meinen Hunden lieber auf einen weggeworfenen Plastikbecher als auf eine zerschlagene Bierflasche.»

Mehrwegprodukte haben einen Lebenszyklus

Littering müsse man mit guten Abfallsystemen, wie sie die Schweiz habe, und vor allem mit Sensibilisierungskampagnen bekämpfen. Da werde schon viel gemacht. Gerade auch in den Schulen, wo alle lernten: «Man wirft nichts weg. So können wir in Richtung Kreislaufwirtschaft gehen.»

Pontis Verband unterstützt die Idee der Kreislaufwirtschaft, beziehungsweise der Mehrwegverpackungen. Allerdings liege der Teufel halt im Detail, sagt er. «Man muss den ganzen Lebenszyklus anschauen. Auch Mehrwegprodukte haben ein Lebensende und müssen entsorgt werden. Und die ganze Logistik und das Waschen werden viel vom ökologischen Vorteil auffressen. Das muss man im Einzelfall beurteilen. Und das unterstützen wir.»

Für einmal liegen die Positionen zwischen einem Industrieverband und Greenpeace also erstaunlich nahe beieinander.

Rendez-vous, 05.07.2021, 12:30 Uhr

Meistgelesene Artikel