Seit der Öffnung Chinas vor rund vier Wochen ist die Reiseexpertin Jane Sun voller Optimismus: «Die Chinesinnen und Chinesen können es kaum erwarten, wieder zu reisen. Schliesslich waren sie lange genug im Lockdown.» Im Lockdown waren sehr viele monatelang in der eigenen Wohnung eingesperrt oder sassen in einem Quarantänezentrum fest.
Selbst Reisen innerhalb Chinas waren vor dem Ende der strikten Covid-Politik sehr schwierig bis unmöglich. Das sei zum Glück jetzt wieder anders, sagt Sun, Chefin des chinesischen Reisekonzerns trip.com. So übertreffe das Volumen der Inlandsreisen bereits wieder den Stand der Vor-Pandemie-Zeit.
Nachfrage höher als das Angebot
Sun geht davon aus, dass die Chinesinnen und Chinesen in rund einem halben Jahr wieder so viel ins Ausland reisen wie vor der Pandemie. Denn die Nachfrage nach Auslandsreisen sei zurück. Allerdings werde es eine Weile dauern, bis das Angebot die grosse Nachfrage befriedigen könne. «Viele Fluggesellschaften und Flughäfen mussten während der Pandemie ja Personal entlassen», stellt die Reiseexpertin fest.
Die Leute warten nur noch auf verfügbare Flugtickets und Einreisevisa.
Im Vergleich zu 2019 gibt es derzeit nur ein sehr kleines Angebot an internationalen Flügen von und nach China. Der von Sun geführte Reisekonzern betreibt mit 400 Millionen Nutzerinnen und Nutzern eine der grössten Buchungsplattformen der Welt. Sie stellt fest: «Das Suchvolumen online ist bereits sehr stark. Die Leute warten nur noch auf verfügbare Flugtickets und je nach Land auf die entsprechenden Einreisevisa.»
Vorerst Reisen nach Thailand und Indonesien
Von der grossen Nachfrage profitierten derzeit vor allem Reiseziele in der Nähe Chinas. «Das sind Länder wie Thailand und Singapur.» Vor allem Thailand werde in Chinas sozialen Medien gerade sehr gehypt. «Der Premierminister von Thailand fuhr sogar zum Flughafen, um die ankommenden chinesischen Touristen nach der Pandemie willkommen zu heissen», sagt Sun bewundernd.
Werden die Chinesen wieder in grossen Gruppen reisen wie vor der Pandemie – und in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Länder besuchen? «Das ändert sich langsam», sagt Sun. Erfahrende Reisende, die etwa schon mehrmals in Europa waren, gingen inzwischen lieber an einen Ort, um dann etwas länger dort zu bleiben. «Freunde von mir bleiben zum Beispiel einen Monat lang in Paris – weil es ihnen dort gefällt.»
Chinesinnen bald auch wieder in der Schweiz
Auch in der Schweiz werde man bald wieder Touristinnen und Touristen aus China sehen, ist Sun überzeugt. Für die Schweiz spreche unter anderem, dass sie im Gegensatz zu vielen anderen Ländern Reisende aus China nicht auf Covid testet. Und: «Die Schweiz zieht Kundinnen und Kunden im Hochqualitätssegment an – es ist hier alles so friedlich, die schönen Berge, das schätzen sie sehr.» Dass die Schweiz zu den teureren Reisezielen gehöre, spiele da weniger eine Rolle.
In der Schweiz ist alles so friedlich, die schönen Berge. Das schätzen Chinesinnen und Chinesen sehr.
Im Trend seien auch kleinere chinesische Reisegruppen im Freundes- und Familienkreis anstelle von grossen anonymen Reisen. Zudem seien inzwischen auch Wellnessferien sehr gefragt, sagt die Reiseexpertin. Schliesslich suchten viele Chinesinnen und Chinesen in den Ferien jetzt vor allem Erholung.