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Vetropack in der Ukraine Schweizer Glaswerk gerät zwischen die Fronten

Der Krieg in der Ukraine legt die Wirtschaft vor Ort lahm. Betroffen sind auch Schweizer Unternehmen: Eine Glasfabrik von Vetropack wurde beschädigt, 600 Angestellte bangen plötzlich um ihr Leben. Das Management vor Ort hilft bei der Suche nach Schutz.

Johann Reiter kennt die Ukraine gut: Der Chef von Vetropack war schon oft am Stadtrand von Kiew, in Gostomel. Dort betreibt das Unternehmen ein grosses Glaswerk mit 600 Angestellten. Doch in Gostomel ist nichts mehr, wie es war. «Am 24. Februar bekam ich um 5 Uhr morgens einen Anruf von unserem geschäftsführenden Verantwortlichen der Ukraine, der mir erzählte: Es geht los, es sind Raketen eingeschlagen und Bomben gefallen.»

Am 24. Februar bekam ich um 5 Uhr morgens einen Anruf von unserem geschäftsführenden Verantwortlichen der Ukraine, der mir erzählte: Es geht los, es sind Raketen eingeschlagen und Bomben gefallen.
Autor: Johann Reiter CEO von Vetropack

Sie entschieden, die Glasproduktion sofort zu stoppen – technisch ein heikler Vorgang: «Ein kleines Team blieb in den folgenden Tagen vor Ort, um zu kontrollieren, was mit den Schmelzöfen passiert.»

Fabrik vom Krieg beschädigt

Gostomel liegt in unmittelbarer Nähe von Irpin und Butscha, wo der russische Krieg zeitweise besonders brutal war.

«Im Laufe des März wurde unser Werk natürlich auch beschädigt, weil es praktisch zwischen die Fronten gekommen ist, zwischen Ukraine und den Russen.», erzählt der Firmenchef mit österreichischen Wurzeln am Hauptsitz in Bülach.

Im Laufe des März wurde unser Werk natürlich auch beschädigt, weil es praktisch zwischen die Fronten gekommen ist, zwischen Ukraine und den Russen.
Autor: Johann Reiter CEO von Vetropack

Vetropack hat seit einigen Wochen ein Kernteam in der Ukraine, rekrutiert aus der dortigen Geschäftsleitung. Dieses Team hilft den 600 Angestellten mit ihren Familien, in Sicherheit zu kommen: «Mitarbeitenden, die in der Region gewohnt haben, ist es gelungen, über diesen Fluchtkorridor in den Westen der Ukraine zu gelangen. Da hat unser Management sehr stark unterstützt und auch immer wieder die Leute informiert, in welche Richtung es geht, was sie tun können.»

Das Glaswerk in Gostomel in einer Aufnahme vor dem Raketen- und Bombeneinschlag.
Legende: Das Glaswerk in Gostomel in einer Aufnahme vor dem Raketen- und Bombeneinschlag. Vetropack/ZVG

Die Angestellten sind grossmehrheitlich Männer im wehrfähigen Alter: Sie dürfen die Ukraine somit nicht verlassen. «Soweit wir Bescheid wissen, wurden von unseren Mitarbeitern rund 35 bis 40 Leute eingezogen vom Militär.» Die Löhne zahlt Vetropack allen Angestellten weiter.

(Wie) geht es weiter in der Glasfabrik in Gostomel?

Ganz aufgeben mag Johann Reiter das Werk in Gostomel nicht, zumal sich jüngst ja das Kriegsgeschehen um Gostomel und Kiew beruhigt hat. «Wir merken natürlich jetzt, dass die Russen abgezogen sind in Richtung Osten. Das gibt uns die Möglichkeit, langsam wieder zurückzukehren und zu sehen, was tatsächlich passiert ist, und letztendlich auch das Gelände abzusichern. Das hilft uns jetzt ungemein.»

Es braucht einen stabilen, politischen Rahmen, und den können wir momentan nicht sehen. Also ist es auch schwierig zu sagen, wann wir und ob wir wieder produzieren werden.
Autor: Johann Reiter CEO von Vetropack

Ob Vetropack in den Schmelzöfen in Gostomel je wieder Glasflaschen herstellen wird, kann der Firmenchef noch nicht abschätzen: «Es braucht einen stabilen, politischen Rahmen, und den können wir momentan nicht sehen. Also ist es auch schwierig zu sagen, wann wir und ob wir wieder produzieren werden.»

Die Perspektive fehlt, aber die Hoffnung bleibt.

Echo der Zeit, 18.04.2022, 18:00 Uhr

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