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Welthandel in Gefahr? Die WTO verliert an Einfluss – das hat Folgen

Bei der WTO häufen sich die Beschwerden wegen Handelszöllen. Doch die Organisation ist kaum mehr fähig, Lösungen zu finden.

  • Die EU und die Schweiz haben bei der WTO gegen die US-Stahl- und Aluminiumzölle geklagt, China gegen die US-Importzölle auf bestimmte Waren.
  • Die USA haben ihrerseits Beschwerde wegen den Gegenmassnahmen gegen die von ihnen verhängten Zöllen eingelegt.
  • All die Klagen werden kaum zu einer Streitbeilegung führen, sagt Professor Mark Wu. Stattdessen sieht er die WTO selber in Gefahr.

Wäre die Welthandelsorganisation WTO eine Person, möchte man nicht in ihren Schuhen stecken. Es werde sehr, sehr knifflig werden, die Zolldispute in einem Rechtsprozess beizulegen, meint Mark Wu. Denn die WTO als streitschlichtende Institution im Welthandel gerät durch die Klagen in eine regelrechte Zwickmühle.

Wu ist Handelsrechtsprofessor an der Harvard Universität und spezialisiert auf den Handel mit China. Bei der WTO und der Weltbank bekleidet er diverse Ämter.

Entweder die WTO stütze die USA. Das würde heissen, dass die WTO alle Länder, die Gegenmassnahmen beschlossen haben, zwingen würde, diese aufzugeben, und das wäre politisch heikel, sagt Wu. Oder die WTO stelle sich gegen die USA. Dann aber würden die USA sagen, «die WTO behandelt uns ungerecht» – was wiederum Öl ins Feuer wäre.

Die WTO

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Die Welthandelsorganisation mit Sitz in Genf wurde 1995 gegründet. Sie hat 159 Mitgliedsländer, die wichtige Beschlüsse nur im Konsens fällen können. Hauptaufgabe der WTO ist es, Zölle und andere Handelshemmnisse abzubauen, um so den freien Handel und damit den Wohlstand zu fördern. Zudem soll sie auch Wirtschaftskonflikte schlichten.

WTO-kritische US-Regierung

Die US-Regierung unter Donald Trump befindet sich mit der WTO in einem schwelenden Streit. Sie stört sich an früheren Urteilen, die zu Ungunsten der USA ausfielen. Und sie kritisiert, dass die WTO nichts unternimmt, um den expandierenden chinesischen Staatskapitalismus zu bremsen.

Der Handelsrechtler Wu warnt schon lange davor, dass das geltende WTO-Recht bei den handelsrechtlichen Streitigkeiten rund um China nicht genüge. Er habe erwartet, dass der Stein ins Rollen kommen werde, aber nicht unbedingt so. Denn statt in einem langwierigen multilateralen Prozess neue Regeln zu verhandeln, geht die US-Regierung nun auch mit der WTO auf Konfrontationskurs. So weigert sie sich, neue Appellationsrichter zu bestätigen.

WTO wegen den USA nicht funktionsfähig

Wenn das so weitergehe, sei das Streitbeilegungsgremium der WTO bald nicht mehr funktionstüchtig, so Wu. Und selbst wenn es ihr noch gelingen würde, letztinstanzlich eine Entscheidung in den Zolldisputen zu treffen, könnten die USA ihr Recht auf Souveränität anrufen und das Urteil ignorieren.

Eine Reform der WTO im Sinne der USA hält der Harvard-Professor derzeit für unmöglich. Sie würde am Widerstand von China und den Entwicklungsländern scheitern. Deshalb sei das Risiko gross, dass die WTO bald stark an Gewicht verlieren werde – und das werde Folgen haben für den Welthandel.

Man werde Machtkämpfe wieder verstärkt unilateral austragen. Das bedeute nicht völlige Rechtslosigkeit im Welthandel. Doch das Recht werde viel weniger umfassend gelten, als man sich das heute vorstelle, ist Wu überzeugt.

Die Rechtsunsicherheit wird zunehmen

Besonders mittelgrosse Wirtschaftsmächte und Entwicklungsländer würden unter einer neuen Rechtsunsicherheit leiden, denn sie könnten nicht mehr unter dem Schirm der WTO Exportallianzen bilden. Die Schweiz sei ein Land, das bei der WTO stark mit gleichgesinnten Ländern zusammen arbeite.

Das werde aber in Zukunft schwieriger sein, wenn es keinen einheitlichen Mechanismus im Welthandel mehr gebe. Und die WTO-Beschwerde der Schweiz gegen die US-Stahl- und Aluminiumzölle, ist sie wirklich zwecklos? Ja, er sehe das so, denn für die WTO sei der Fall einfach zu heikel, sagt Mark Wu.

Mark Wu

Ökonomie-Professor

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Mark Wu ist Professor für Handelsrecht an der Universität von Harvard. Er ist spezialisiert auf den Handel mit China. Wu hat auch schon für Internationale Organisationen wie die WTO, das WEF oder die Weltbank gearbeitet.

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