«Das waren meine Hits. Von hier an geht's bergab», scherzt James Blunt nach den ersten beiden Songs «High» und «You're Beautiful». Mit der untergehenden Sonne neigt sich das 34. Heitere Openair in Zofingen dem Ende zu. Zum Glück mit James Blunt, dem elegantesten Zyniker der Popwelt.
Mit seiner Show feiert er das 20-Jahr-Jubiläum seines Debütalbums «Back to Bedlam». «Das bedeutet hauptsächlich, dass ich jetzt alt bin – und ihr auch.» Seine Lieblingsfans seien eh jene, die von ihren Freundinnen und Ehefrauen gezwungen wurden, hier zu sein. Woraus der 51-Jährige folgert: «Das ist echtes Engagement – denn ich würde auch nicht auf ein James-Blunt-Konzert gehen.»
Yeah: Oben ohne hoch hinaus
Die brütende Hitze ist nicht der Grund, dass Biffy Clyro am Samstagabend oben ohne auf der Bühne stehen – dafür sind die Schottenrocker bekannt. Dabei geht es nicht nur darum, Waschkosten zu sparen, sondern sich unmittelbar der Show hinzugeben, wie sie im Interview mit SRF 3 erklären.
Mürrisch wie die Nordsee schwanken die Schotten zwischen Pathos-Balladen und vertrackten Gitarrenriffs. Sie liefern Stadionsongs, durch die stellenweise auch die Sea-Shanty-Chöre ihrer Heimat drücken. Maximaler Mitjohlfaktor. Wermutstropfen: Drummer Ben Johnston bleibt diesmal im T-Shirt.
Juhee: Glücksfrequenzen für alle
Dass Hecht auf dem Heitere die Menge zum Mitsingen bringen, erstaunt nicht – ist ja fast schon Heimspiel und die installierten Festbänke passen bestens zum hecht'schen Schlagerpop, zu dem sich das Zofinger Publikum das Herz aus der Seele schreien kann. Den Höhe- beziehungsweise Tiefpunkt des klamaukigen Konfetti-Konzerts bringen am Sonntag die Rheintaler Fäaschtbänkler nach Zofingen. Und die Leute lieben sie dafür.
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Bild 1 von 5. Die, die übers Publikum gehen: Hecht, die trotz ihres Names obenauf schwimmen. (Dafür fiel Sänger Stefan Buck das erste Mal ever vom Brett, auf dem er während «Surfer» jeweils über die Menge reitet.). Bildquelle: Jasmin Ledermann.
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Bild 2 von 5. Tiavo hingegen reiten die Neue Deutsche Welle. Teile der Band haben aufgrund einer seltenen genetischen Mutation einen Fernseher als Kopf. Bildquelle: Heitere.
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Bild 3 von 5. Politpop im Spasspelz: Soffie feiert den Sommer mit ihrer Protesthymne «Für immer Frühling». Bildquelle: Alexandra Rothlin.
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Bild 4 von 5. Angel «Mimiks» Egli spannt die Flügel auf: Der Luzerner lädt zur Rap-Zeremonie ... Bildquelle: Jasmin Ledermann.
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Bild 5 von 5. ...und bricht die Andacht sogleich mit hässigem Stinkefinger. Bildquelle: Jasmin Ledermann.
Apropos Liebe: «Heitere, ich weiss, es ist wahnsinnig heiss, aber es fühlt sich trotzdem an wie Frühling.» Das verkündet die deutsche Sängerin Soffie, die mit ihrem anti-rechtspolitischen «Für immer Frühling» Anfang 2024 auf Tiktok durch die Decke ging. Ihre Show scheint sogar die Bäume auf dem Zofinger Hausberg zum Lächeln zu bringen. So viel Liebe kann nur mit Liebe quittiert werden.
Och schade: Bei Laurel ist alles falsch – ausser sie
Das Heitere-Booking verpflichtet jedes Jahr einen aufregenden Indie-Pop-Star, der zur falschen Zeit am falschen Ort ist. 2025 trifft es die Engländerin Laurel, die mit elfenhaftem Auftreten und sphärischem Synthpop einfach nicht in die pralle Sonntagnachmittagssonne auf die Hauptbühne eines Festivals passen will, an dem vor allem Radio-Lieblinge wie James Blunt und Ray Dalton beklatscht werden.
Mit ihren gehauchten Vocals und Ansagen sowie expressiven Dancemoves schafft es die 27-Jährige dann auch nur teilweise, Publikum anzulocken und aus der Mainstream-Reserve zu holen. Die, die bleiben, lassen sich jedoch gerne verzaubern. It’s not you, Laurel, it’s them.
Aww: Sind das Tränen, Noah?
Dieser Pegasus-Show fehlt es höchstens an Demut. Es ist schliesslich einer der letzten Festival-Gigs in der aktuellen Besetzung der Bieler. Per Ende 2025 steigt die Hälfte der Band aus, anschliessend soll es in neuer Formation weitergehen.
Zurück ins Jetzt: Wenn einer Schweizer Band knapp 1500 von SRF 3 verteilte Papierherzen aus dem Publikum entgegenwinken, müsste auf der Bühne mindestens eine Träne fliessen. Ausmachen liess sich diese nicht ganz, feuchte Augen gab es dennoch, wie die Musiker nach dem Gig am Sonntagnachmittag aufgewühlt erzählten.