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Ein Sänger formt mit seinen Händen ein Herz
Legende: «Zurich, I love you so much!» Shawn Mendes besteht am ersten Zürich-Openair-Wochenende fast nur aus Liebe und Dankbarkeit. Zürich Openair/Ueli Frischknecht

Live am Zürich Openair 2025 Die Welt von Shawn Mendes ist schön – und schön langweilig

Sechs Jahre nach seinem bisher einzigen Schweiz-Gig ist der kanadische Superstar Shawn Mendes zurück im Land. Am Zürich Openair zeigt er sich nach einer turbulenten Zeit geerdet. Und zwar etwas zu sehr.

Ihm ging es mental nicht gut. Darum hat Shawn Mendes vor drei Jahren seine Welttournee nach wenigen Gigs abgebrochen und auch die für den Sommer 2023 geplante Show in Zürich abgesagt.

Den Fans am Zürich Openair erzählt er am Freitagabend, dass er wieder wohlauf ist. Das ist schön, klar, aber wenn er sonst so gar nichts zu sagen hat, ist es eben auch nicht so spannend – wie sein Konzert.

So geerdet

Als der Musiker vor zehn Jahren sein Debütalbum «Handwritten» releaste, war er gerade mal 16. Jetzt geht er langsam auf die 30 zu und steht live vor der schwierigen Aufgabe, den gezuckerten Gitarren-Pop von damals mit dem countryesken Schmuse-Folk seines im Herbst veröffentlichten Fünftlings «Shawn» zu verweben. Was zur Folge hat, dass frühe Hits wie «Mercy», «Stitches» und «Treat You Better» von Americana verwaschen werden. Immerhin passen sie so besser zum schunkeligen neuen Material.

Dieses untermalt er mehrmals mit Videos von Lagerfeuer-Abenden, die den 27-Jährigen naturverbunden, seine Friends umarmend und oben ohne Gitarre spielend zeigen. Der Sound, die Visuals, das für einen Headliner geradezu karge (wenn auch stilvolle) Bühnenbild – alles soll unterstreichen, wie geerdet Shawn Mendes mittlerweile ist.

So bescheiden

Damit das auch die Zürich-Openair-Gäste mitbekommen, die gerade am Bierstand labern oder auf dem WC sitzen, legt er mit einer Zwischenansage nach: «Meine Erfolge waren wirklich toll, aber sie haben sich nach nichts angefühlt. Irgendwo in der Abgeschiedenheit mit meinen Liebsten zu sein, bedeutete mir wiederum alles.»

Yeah, Shawn, we get it – wir hatten es schon fünf Country-Songs vorher verstanden, als unironisch «For Friends and Family Only» über deiner Band samt Violinistin eingeblendet wurde.

So nahbar

Auch wenn es penetrant ist: Es wirkt nicht aufgesetzt, man glaubt es ihm. Und der Popstar in ihm ist nach wie vor da, wie er mit den wuchtig performten Nummern «There's Nothing Holdin' Me Back» sowie «If I Can't Have You» zeigt.

Zudem knallt wieder kurz ein Feuerwerk, bevor's jeweils zu kuschelig wird oder Shawn steigt runter in den Bühnengraben, highfivt die Fans, umarmt sie und lässt sich Krimskrams schenken. Zurück auf der Stage legt er seine neue Schweizer Flagge übers Keyboard, die Blumenkette um den Hals, die Sonnenbrille auf die Nase und den Cowboyhut auf den Kopf.

So Shawn

Für einen kurzen Moment blitzt dabei ein Fashion-Swagger durch, den jemand wie Harry Styles ein ganzes Konzert lang durchzieht. Aber nach wenigen Augenblicken schon ist der echte Shawn Mendes zurück. Der mit dem Zahnpasta-Lächeln. Der, der für alles hier wirklich dankbar ist. Der, der zu sich gefunden hat. Und der, der dadurch auch ein bisschen langweilig geworden ist.

Schimun Krausz

Musikredaktor

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Schimun Krausz schreibt Texte und produziert Videos zu Musikthemen bei SRF 3, Social Media inklusive. The 1975 ist die beste Band der Welt und er lässt keine andere Meinung zu (also bis Frontmann Matty Healy sich endgültig ins gesellschaftliche Abseits gelabert hat).

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Anfang Sommer habe ich nach einem Besuch im Zürcher Letzigrund-Stadion geschrieben, dass «nichts so ungefährlich ist wie ein Konzert von Imagine Dragons». Jetzt weiss ich, dass ich damit falschgelegen bin.

SRF 3, 22.8.2025, 14:20 Uhr

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