Ihm ging es mental nicht gut. Darum hat Shawn Mendes vor drei Jahren seine Welttournee nach wenigen Gigs abgebrochen und auch die für den Sommer 2023 geplante Show in Zürich abgesagt.
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Bild 1 von 5. Ungewöhnlich für eine Festivalshow: Schon eine halbe Stunde vor dem Konzert war es vor der Hauptbühne des Zürich Openair ziemlich voll. Eigentlich ist der Freitag weniger ein klassischer Festivalabend und eher ein Shawn-Mendes-Gig, bei dem Nina Chuba und Portugal. the Man im Vorprogramm auftreten. Bildquelle: Zürich Openair/Ueli Frischknecht.
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Bild 2 von 5. Auch wenn seine Popshow grösstenteils zahm daherkommt: Ab und zu geht mit Shawn Mendes ein wenig der Rockstar durch. Bildquelle: Zürich Openair/Ueli Frischknecht.
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Bild 3 von 5. Der 27-Jährige geniesst vom Stage-Laufsteg aus das Bad in der Zürich-Openair-Menge. Bildquelle: Zürich Openair/Mister Lessi.
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Bild 4 von 5. Und immer wieder zündet das Team des Kanadiers Feuerwerk auf und über der Bühne. Zum Schluss gesellt sich – natürlich – ein Konfettiregen dazu. Bildquelle: Zürich Openair/Alex Rueschenbeck.
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Bild 5 von 5. Wenn Shawn Mendes nicht alle paar Minuten diese Haltung einnimmt, springt ihm vor lauter Freude und Dankbarkeit über diesen Gig das Herz aus der Brust (was wahrscheinlich sehr schmerzhaft, vielleicht sogar tödlich wäre). Bildquelle: Zürich Openair/Mister Lessi.
Den Fans am Zürich Openair erzählt er am Freitagabend, dass er wieder wohlauf ist. Das ist schön, klar, aber wenn er sonst so gar nichts zu sagen hat, ist es eben auch nicht so spannend – wie sein Konzert.
So geerdet
Als der Musiker vor zehn Jahren sein Debütalbum «Handwritten» releaste, war er gerade mal 16. Jetzt geht er langsam auf die 30 zu und steht live vor der schwierigen Aufgabe, den gezuckerten Gitarren-Pop von damals mit dem countryesken Schmuse-Folk seines im Herbst veröffentlichten Fünftlings «Shawn» zu verweben. Was zur Folge hat, dass frühe Hits wie «Mercy», «Stitches» und «Treat You Better» von Americana verwaschen werden. Immerhin passen sie so besser zum schunkeligen neuen Material.
Dieses untermalt er mehrmals mit Videos von Lagerfeuer-Abenden, die den 27-Jährigen naturverbunden, seine Friends umarmend und oben ohne Gitarre spielend zeigen. Der Sound, die Visuals, das für einen Headliner geradezu karge (wenn auch stilvolle) Bühnenbild – alles soll unterstreichen, wie geerdet Shawn Mendes mittlerweile ist.
So bescheiden
Damit das auch die Zürich-Openair-Gäste mitbekommen, die gerade am Bierstand labern oder auf dem WC sitzen, legt er mit einer Zwischenansage nach: «Meine Erfolge waren wirklich toll, aber sie haben sich nach nichts angefühlt. Irgendwo in der Abgeschiedenheit mit meinen Liebsten zu sein, bedeutete mir wiederum alles.»
Yeah, Shawn, we get it – wir hatten es schon fünf Country-Songs vorher verstanden, als unironisch «For Friends and Family Only» über deiner Band samt Violinistin eingeblendet wurde.
So nahbar
Auch wenn es penetrant ist: Es wirkt nicht aufgesetzt, man glaubt es ihm. Und der Popstar in ihm ist nach wie vor da, wie er mit den wuchtig performten Nummern «There's Nothing Holdin' Me Back» sowie «If I Can't Have You» zeigt.
Zudem knallt wieder kurz ein Feuerwerk, bevor's jeweils zu kuschelig wird oder Shawn steigt runter in den Bühnengraben, highfivt die Fans, umarmt sie und lässt sich Krimskrams schenken. Zurück auf der Stage legt er seine neue Schweizer Flagge übers Keyboard, die Blumenkette um den Hals, die Sonnenbrille auf die Nase und den Cowboyhut auf den Kopf.
So Shawn
Für einen kurzen Moment blitzt dabei ein Fashion-Swagger durch, den jemand wie Harry Styles ein ganzes Konzert lang durchzieht. Aber nach wenigen Augenblicken schon ist der echte Shawn Mendes zurück. Der mit dem Zahnpasta-Lächeln. Der, der für alles hier wirklich dankbar ist. Der, der zu sich gefunden hat. Und der, der dadurch auch ein bisschen langweilig geworden ist.
Anfang Sommer habe ich nach einem Besuch im Zürcher Letzigrund-Stadion geschrieben, dass «nichts so ungefährlich ist wie ein Konzert von Imagine Dragons». Jetzt weiss ich, dass ich damit falschgelegen bin.