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Chappel Roan live am Way Out West 2025
Legende: Die Fotos vom Zürich-Gig müssen erst noch vom Management freigegeben werden. Das Bild zeigt Chappell Roan am schwedischen Way Out West Festival Anfang August, wo sie eine ähnliche Robe trug wie am Dienstagabend im Hallenstadion – nur viel grüner. Keystone/AP TT News Agency/Adam Ihse

Live im Hallenstadion Zürich Chappell Roan: «Das hier ist für alle Gays!»

Die US-Sängerin hat einen kometenhaften Aufstieg hingelegt und zeigt sich in Zürich trotzdem echter als andere Popstars.

Vor 13'000 Menschen aufzutreten, ist nie etwas Normales. Aber selten ist einem Act die Freude über diese absurde (und absurd schöne) Situation so sehr anzusehen wie Chappell Roan. Die US-Pop-Sensation strahlt bei ihrem ersten Schweizer Auftritt nicht nur während ihren wenigen Zwischenansagen, sondern auch in kurzen Songpausen und sogar dann, wenn sie aus voller Kehle singt und dabei in die begeisterten Gesichter im Hallenstadion blickt.

Man merkt der 27-Jährigen an, dass sie den Gig in Zürich gebraucht hat, denn es ist ihr einziges Europa-Konzert diesen Sommer, das nicht an einem Festival passiert. Das hier ist ihre eigene Show und sie weiss: «Ihr seid nur meinetwegen hier.»

Was bei anderen selbstverliebt wirken könnte, klingt bei Chappell ehrlich und erleichtert. Wer die aus einem Kaff im Bundesstaat Missouri stammende Musikerin verfolgt, kennt ihre direkte Art, ihren offenen Umgang mit Unsicherheiten und auch ihre Mühe mit der plötzlichen Weltberühmtheit.

Spätzünderin

Wenn die Menge am Dienstagabend Instant-Pop-Klassiker wie «The Giver», «Hot to Go!» und «Red Wine Supernova» lauthals und Wort für Wort mitsingt, ist es nämlich kaum vorstellbar, dass der Name Chappell Roan vor einem Jahr hierzulande noch alles andere als geläufig war.

Die Sängerin releaste die spätere Queer-Hymne «Pink Pony Club» bereits 2020, nur bekam das kaum jemand mit. Eine Tour mit Olivia Rodrigo brachte Chappell 2022 in den USA auf den Radar, trotzdem legte ihr 2023 veröffentlichtes und von Fachleuten beklatschtes Debütalbum «The Rise and Fall of a Midwest Princess» einen Fehlstart hin.

Die LGBTQIA+-Community feierte die Songs jedoch und trug ihre Begeisterung via Tiktok in die Welt hinaus. Die mittlerweile rund zwei Milliarden Streams starke Single «Good Luck, Babe!» markierte im Frühling 2024 schliesslich den endgültigen Durchbruch.

Safe Space für die Freude

Die Liveshow der offen lesbischen Künstlerin ist dann auch eine Liebeserklärung an ihre vielen queeren Fans – mit den eindeutigen Texten, dem extravaganten Rosen-Outfit sowie dem dramatischen Make-up und mit der Widmung des Bangers «Pink Pony Club»: «Das hier ist für alle Gays!»

Und auch mit dem Vorprogramm: Statt einer klassischen Supportband performen die drei Schweizer Dragqueens Tropikahl Ivy, Paprika und Viktor von Karma auf der Bühne und machen schon vor der Hauptattraktion klar, dass das Hallenstadion an diesem Dienstag ein Safe Space für Queer Joy ist.

Musikalisch Pop, optisch Metal

Sie ist aber auch eine Hommage an den schnulzigen Pop und den ausschweifenden Rock der 1980er – und an den Metal. Das Schloss auf der Bühne könnte von einem Hammerfall-Albumcover geklaut sein, in den Visuals tummeln sich Cartoon-Drachen und bei jeder sich bietenden Gelegenheit spielen die Gitarristinnen der überzeugenden Band auf den Knien, Rücken an Rücken oder im Orkanwind des Stage-Ventilators.

Chappell covert gar den Heavy-Metal-Staple «Barracuda» von Heart. Vielleicht, um Frauen am Rock-Mikrofon zu feiern. Oder vielleicht, damit die Väter, die ihre Töchter ans Konzert gefahren haben und jetzt warten müssen, doch noch einen Song kennen.

Vielleicht aber auch, weil sie einfach Bock hat auf den Song. Wie sie merklich Bock hat aufs Zürcher Publikum. Auch wenn sie gerne im selben musikalischen Atemzug genannt wird wie Taylor Swift, Sabrina Carpenter oder Dua Lipa: In der Popwelt ist aktuell niemand so echt wie Chappell Roan.

Schimun Krausz

Musikredaktor

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Schimun Krausz schreibt Texte und produziert Videos zu Musikthemen bei SRF 3, Social Media inklusive. The 1975 ist die beste Band der Welt und er lässt keine andere Meinung zu (also bis Frontmann Matty Healy sich endgültig ins gesellschaftliche Abseits gelabert hat).

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SRF 3, 19.8.2025, 09:15 Uhr

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