Remco Evenepoel wählte die grosse Inszenierung: Zur Tour of Britain kreuzte Belgiens Superstar unlängst mit komplett goldenem Rad auf, das Trikot des Doppel-Olympiasiegers zierten frische goldene Ärmel über den gewohnten Regenbogenstreifen für seinen Weltmeister-Titel. «Ich musste beim Weltverband mächtig kämpfen, das so durchzukriegen», sagte Evenepoel grinsend, «aber ich bin stolz auf die vergangenen Monate und will das auch zelebrieren.»
Dabei könnte das rauschende Finale einer Traumsaison nun erst anstehen: Bei der WM in Zürich ist der 24-Jährige Topfavorit im Zeitfahren am Sonntag und heisser Goldanwärter im Strassenrennen eine Woche später. «Die Batterien sind voll aufgeladen», sagt Evenepoel, der nach Olympia kränkelte, danach aber in Griechenland mit seiner Frau ausgiebig ausspannte.
Historische Premieren in Aussicht
Satt ist Evenepoel noch lange nicht, erneut steht Historisches auf dem Menü. Gold im Zeitfahren und Strassenrennen bei denselben Olympischen Spielen? Er war kürzlich der Erste, der dies erreichte. Das Double bei einer WM? Hat noch niemand geschafft, Evenepoel holte das Regenbogentrikot im Strassenrennen 2022 und im Zeitfahren 2023. Olympiasieger und Weltmeister im Strassenrennen im gleichen Jahr? Ein ebenfalls bislang unbestiegener Gipfel.
Evenepoel hat gar den «Grand Slam» vor Augen, das doppelte Doppel-Gold. Es wäre ein unerhörter Triumph, der dem «Merckx der Moderne» aber zuzutrauen ist. «Alles ist möglich. Remco ist total fokussiert und vor allem verspürt er keinen Druck», sagte Klaas Lodewyck, Evenepoels Sportdirektor beim Soudal-Quick-Step-Team.
Vom Marktplatz ins Fussballstadion
Eine Stärke Evenepoels ist, Nebengeräusche auszublenden. Und diese Qualität benötigt er derzeit auch: Der Trubel nach dem Pariser Doppel-Gold war gewaltig, der Belgier wurde herumgereicht, von Tausenden Fans auf dem Brüsseler Marktplatz gefeiert, im Fussballstadion des RSC Anderlecht – dort brachte er es als Kicker zum belgischen U-Nationalspieler – auf dem Rasen bejubelt.
Und dann sind da noch die Spekulationen um seine Zukunft. Hartnäckig halten sich Gerüchte, dass Evenepoel ab 2025 Star des bayerischen Rennstalls Red Bull-Bora-hansgrohe wird, der seine neue Finanz-Brausepower gewinnbringend investieren will. «RBBH»-Teamchef Ralph Denk tat dies als «Gossip», als Geschwätz, ab, auch Evenepoel gab sich zuletzt ahnungslos.
Rekorde-Ablöse steht im Raum
Ein derartiger Deal würde im Radsport neue Dimensionen schaffen: Zehn Millionen Euro Ablöse, so Medienberichte, würden fällig, sollte Evenepoel trotz Vertrag bis 2026 Quick-Step verlassen – absoluter Rekord im Radsport, wo Ablösezahlungen nicht Usus sind. Und gehaltstechnisch würde er in eine Liga aufsteigen, in der sonst nur Tadej Pogacar fährt.
Ach ja, Pogacar: Der Slowene, dieser andere unwiderstehliche Vollblutfahrer, ist das grösste Hindernis für Evenepoel auf dem Weg zum Triumph im Zürcher Strassenrennen. Die beiden mögen sich, die beiden schätzen sich. Und Pogacar wird verhindern wollen, dass sich Evenepoel erneut für ein episches Foto an der Ziellinie aufbaut – und sein Rad nun vor der Zürcher Oper statt vor dem Eiffelturm emporhebt.