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Anabolika Doping im Gym – die unbekannte Sucht

Anabolika sind als Droge kaum erforscht, mit den Schäden bleiben Abhängige allein. Ein Zürcher Projekt will das ändern und bietet gezielte Hilfe an.

Anabolika können das Muskelwachstum beschleunigen. Der Weg zum Traumkörper ist mit ihrer Hilfe viel kürzer – auch für Hobbysportler. Wie viele Menschen in der Schweiz Anabolika missbrauchen, ist nicht klar. Grobe Schätzungen gehen von bis zu 200’000 in den vergangenen Jahren aus.

Hier gibt es eine medizinische Versorgungslücke.
Autor: Raphael Magnolini Assistenzarzt Innere Medizin

Rund ein Drittel der Menschen, die Anabolika konsumieren, werden abhängig, schätzt der Mediziner Raphael Magnolini. Er hat ein Pilotprojekt gestartet an der Arud, dem suchtmedizinischen Zentrum Zürich. Magnolini will Anabolikasüchtigen helfen, die von der Sucht loskommen wollen.

Ein Drittel wird süchtig

Schon jetzt ist klar: Eine Therapie wird viele Bereiche abdecken müssen. Die Schäden betreffen zahlreiche Teile des Körpers. «Dazu gehören häufig Akne, das Wachstum der männlichen Brustdrüse oder die Verkleinerung des Hodens», sagt Raphael Magnolini.

Was sind Anabolika?

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Anabolika sind Mittel, die häufig eingesetzt werden, um den Muskelaufbau zu beschleunigen. Teilweise können sogar die von Bodybuildern gewünschten Muskelmengen ohne sie gar nicht erreicht werden.

Oft enthalten sie Hormone wie Testosteron. Da der Verkauf illegal ist, beziehen sie viele Nutzer über Schwarzmärkte online.

Noch viel problematischer sind Herzrhythmusstörungen oder Herzvergrösserungen, auch das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall nimmt zu – genauso wie das Thromboserisiko. Die Niere kann irreversibel geschädigt werden, ebenso wie die körpereigene Testosteronproduktion. Sie versiegt, wenn das Hormon zu lange von aussen künstlich als Anabolika zugeführt wird.

In der Grundversorgung findet man häufig auch eine grosse Stigmatisierung für diese Patientengruppe und auch viel Unwissen zu diesem Konsum.
Autor: Raphael Magnolini Assistenzarzt Innere Medizin

Hinzu kommen psychische Nebenwirkungen wie gesteigerte Aggressivität, Libidoverlust, teils sogar Persönlichkeitsveränderungen.

Stigma belastet die Betroffenen

Die Gesundheitsfolgen sind also gravierend. Doch es gibt kaum Mediziner, die sich mit Anabolikasucht auskennen und bei denen Anabolikasüchtige Hilfe finden. Das gilt nicht nur in der Schweiz, sondern in fast ganz Europa.

Die rechtliche Situation

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Bei der Behandlung von anabolikasüchtigen Hobbysportlern ist vom Gesetzgeber nicht klar geregelt, was erlaubt ist und was nicht. Das Kernproblem: Bei Anabolikaabhängigen ist es – wie bei vielen Suchterkrankungen – sinnvoll, während des Absetzungsprozesses Anabolika zu verschreiben, die man dann kontrolliert immer weiter reduziert.

Im Leistungssportbereich ist das klar illegal, weil ein therapeutischer Einsatz kaum von betrügerischem Doping zu unterscheiden ist. Im Hobbysportbereich ohne Wettkämpfe müsste es nicht illegal sein. Doch da die aktuellen Gesetze hier nicht unterscheiden, ist die Rechtsunsicherheit für die Mediziner gross.

Die Forscher haben deshalb ein Rechtsgutachten eingeholt, sodass sie ihre Arbeit innerhalb bestimmter Rahmenbedingungen fortführen können.

«Hier gibt es eine medizinische Versorgungslücke», sagt Magnolini. «In der Grundversorgung findet man häufig auch eine grosse Stigmatisierung für diese Patientengruppe und auch viel Unwissen zu diesem Konsum.» Das wollen er und sein Team ändern.

Kaum medizinisches Wissen bisher

Das Therapieangebot an der Arud gibt es seit rund zwei Jahren. Es wird sehr gut angenommen, so Raphael Magnolini. Mittlerweile haben sie um die 150 Patienten betreut. In den vergangenen Monaten konnte das Team nun auch erste Forschungsergebnisse publizieren: einen Methodenplan, wie sie einen fundierten Behandlungsleitfaden entwickeln können.

Infos aus nicht-medizinischen Quellen

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Wichtig zu wissen sei, sagt Raphael Magnolini, dass in den letzten 20 Jahren die medizinische Versorgung und Information über den Konsum aus nicht-medizinischen Quellen gekommen sei: von Bodybuildern, die selbst Anabolika konsumieren, oder von Fitnesstrainern, die quasi die medizinische Versorgung dieser Patienten umgesetzt haben. Es waren schlicht Ratschläge und Erfahrungswerte, die Nutzer untereinander getauscht haben.

Sie fangen fast bei null an – es gibt kaum wissenschaftliche Erkenntnisse von anderen, auf die sie zurückgreifen können. Dementsprechend wird der Weg zu einem Therapieplan weiter als gedacht, meint Magnolini.

Doch das Ziel bleibe: dass am Ende jeder Hausarzt seinen anabolikasüchtigen Patienten mithilfe des Behandlungsleitfadens helfen kann.

Radio SRF 2 Kultur, Wissenschaftsmagazin, 18.10.2025, 12:40 Uhr

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