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Das uneinige Volk in GB «Einige wenige Eliten werden davon profitieren»

Die Politposse um den Brexit hat das Land tief gespalten. Die Unzufriedenen tun ihre Meinung vor dem Parlament kund.

Der Verkehr vor dem britischen Parlament ist längst zum Erliegen gekommen. Auf der Strasse drängen sich Menschen mit blauen EU-Flaggen und britischen Fahnen. Mitten drin intoniert ein einsamer Schotte mit seinem Dudelsack «die Ode an die Freude». Vor ihm am Boden ein Plakat mit der Aufschrift «Rettet die Demokratie». Neben ihm eine Gruppe grauhaariger Damen, denen die Europa-Hymne wenig Freude bereitet.

Vor dem Parlamentsgebäude in London:

Eine alte Frau sagt: «Wir wollen unser Land zurück. Wir wollen unsere Gesetze wieder haben. Wir wollen unser Grosses Britannien zurück - unser Weltreich. Aus wirtschaftlichen Gründen sind wir vor 40 Jahren dem Binnenmarkt beigetreten, aber Gott sei Dank wissen wir dank den sozialen Medien mittlerweile was die EU wirklich ist»

Besseres Leben nach dem Brexit?

Es gehe um Tausende von Gesetzen, mit denen Brüssel Grossbritannien unterdrücke, sagt auch Peter. Er wolle seine Freiheit zurück und ein Ende der unkontrollierten Migration. Der 50-jährige Bauarbeiter ist bleich, mager und arbeitslos. Er erhofft sich vom Brexit ein besseres Leben.

Peter sagt: «Der Arbeitsmarkt ist überschwemmt von Arbeitskräften aus Ost- und Mittel-Europa, von Leuten, welche das Lohnniveau soweit senken, dass britische Arbeiter nicht mehr konkurrenzfähig sind. Dutzende meiner Freunde und Kollegen – Elektriker, Schreiner und Sanitär-Installateure – haben ihre Arbeitsplätze verloren, weil sie durch billige Arbeitskräfte aus dem Ausland ersetzt wurden.»

Er hofft, dass Boris Johnson den Bruch mit Europa endlich vollzieht. Ohne Wenn und Aber und ohne weitere Regeln, Verpflichtungen und Verträge. 1000 Tage nach dem denkwürdigen Referendum sei die Geduld der Menschen erschöpft, meint Peter. Doch genau dies, einen Brexit ohne Vertrag, möchten die Demonstranten mit den EU-Flaggen auf der anderen Seite der Strasse verhindern

Der Graben zwischen Bleiben und Gehen

Die Leavers und Remainers werden von der Polizei so höflich wie bestimmt auseinandergehalten. Die Situation ist ein Abbild für den Graben, welcher das Parlament und das ganze Land teilt. Der Brexit hat Grossbritannien in zwei unversöhnliche Stämme geteilt. Diskussionen und Kompromisse sind nicht mehr möglich. Die einen hoffen, dass sich Boris Johnson und seine Hardliner durchsetzen können, andere wünschen sich, dass er endlich von der Opposition ausgebremst wird.

Eine Frau sagt: «Das hier sind alles gewöhnliche Menschen und was hinter dieser Fassade im Parlament geschieht, ist nicht das, was sich die Leute wünschen, selbst jene nicht, welche für den Brexit gestimmt haben. Von einem chaotischen Austritt werden nur einige wenige Eliten profitieren. Der Rest wird leiden.»

«Sämtliche Parlamentarier ersetzen»

Zwischen den Demonstranten steht ein junger Mann mit einem Plakat: «Ersetzt das Parlament mit Bürgerinnen und Bürgern.» Der junge Mann heisst Nikolei. Der 27-jährige Pole ist promovierter Biochemiker und hat sich folgendes Experiment ausgedacht.

«Bis heute hat das Parlament keine Lösung präsentiert, wie mit dem Brexit umgegangen werden soll. Deshalb schlage ich vor, das Parlament durch 100 Bürgerinnen und Bürger zu ersetzen. Bürger die nach demographischen und geographischen Kriterien ausgewählt wurden. Junge, Alte, vom Land, von der Stadt. Sie sollen solange zusammensitzen, bis sie eine Lösung gefunden haben.»

Vorderhand laboriert hinter den Fassaden von Westminister immer noch das gewählte Parlament.

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