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Feuerpause in Nahost gefordert «Die UNO-Resolution ist mit keiner Drohkeule versehen»

In einer Resolution ruft der UNO-Sicherheitsrat zu einer sofortigen und tagelangen Feuerpause im Gazastreifen auf. Das dies passiert, sei unrealistisch, sagt Fredy Gsteiger, diplomatischer Korrespondent von SRF. Welche Bedeutung aber hat die Resolution? Wie ist sie zu interpretieren? Gsteiger beantwortet die wichtigsten Fragen aus der SRF-Community.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

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Was passiert, wenn Israel nicht auf die Forderungen der UNO eingeht?

Unmittelbar: nichts. Israel würde zwar möglicherweise in künftigen UNO-Resolutionen erneut zu Feuerpausen aufgefordert. Und es müsste kritische Berichte seitens der UNO über sein Verhalten gewärtigen. Israel würde gewiss auch von nationalen Regierungen kritisiert werden und käme womöglich politisch stärker unter Druck. Aber die Resolution ist mit keiner «Drohkeule» versehen – nicht mit Sanktionsandrohungen und erst recht nicht mit militärischem Druck. Ihre Durchsetzung kann somit nicht unmittelbar erzwungen werden. Das gilt übrigens auch für die Hamas: Auch sie müsste – was sie nicht tut – unbegrenzten Zugang für humanitäre Hilfe ermöglichen.

Die Vetomächte USA, Russland und Grossbritannien enthielten sich bei der Abstimmung. Warum?

Die USA haben auf ihr Veto verzichtet, um die Verabschiedung der Resolution zu ermöglichen – und somit Druck auf Israel zu machen, längere humanitäre Feuerpausen zu ermöglichen. Das fordert die Regierung von Joe Biden seit Tagen. Die USA signalisieren damit zugleich, dass sie die aktuelle militärische Strategie der Regierung Netanjahus nicht bedingungslos gutheissen. Grossbritanniens Stimmenthaltung wurde von ähnlichen Überlegungen geleitet. Russland wiederum wollte eine Resolution, die einen sofortigen Waffenstillstand gefordert und damit Israels Recht auf Selbstverteidigung gegen den Hamas-Terror eingegrenzt hätte. Weil das in der Resolution nicht verlangt wird, hat Russland sie nicht unterstützt.

Wer hätte sich gegen diese Forderung gestellt?

Russland, China, aber auch etliche Sicherheitsratsmitglieder aus der Dritten Welt, nicht zuletzt die arabischen, haben bisher den Hamas-Terrorakt nicht als solchen bezeichnet und schon gar nicht verurteilt. Sie haben sich entsprechend erfolgreich dagegen gewehrt, dass in der Resolution eine solche Verurteilung erfolgte.

Gibt es Beispiele, in denen Staaten Resolutionen ignoriert haben?

Nordkorea treibt unverdrossen und resolutionswidrig sein Atom- und Raketenprogramm voran. Ein viel diskutiertes Beispiel aus den letzten Jahren ist auch Syrien, das sich offenkundig nicht an die Resolution gehalten hat, sämtliche Chemiewaffen zu vernichten. Auch das Atomabkommen mit dem Iran – das nicht nur ein Abkommen zwischen Staaten ist, sondern zugleich eine UNO-Resolution – ist inzwischen Makulatur. Die USA sind unter Donald Trump ausgetreten, Iran beschreitet seinen Weg Richtung Atombombe weiter. Auch das Militärregime in Myanmar verletzt Bestimmungen. Die Möglichkeiten, UNO-Resolutionen tatsächlich durchzusetzen, sind begrenzt.

Tagesschau, 16.11.2023, 19:30 Uhr ; 

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