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In Belarus warten Tausende Flüchtlinge, um in den Westen zu gelangen
Aus SRF 4 News aktuell vom 12.11.2021. Bild: Reuters
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Flüchtlingsdrama in Belarus So gelangen Flüchtende von Kurdengebieten nach Europa

Darum geht es: An der Grenze zwischen Belarus und Polen stecken Tausende Menschen fest, die nach Europa wollen. Die EU wirft dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, gezielt Menschen aus den Krisenregionen in Irak und Syrien einfliegen zu lassen, um sie dann in die EU zu schleusen. Eine wichtige Rolle spielen dabei Schlepperbanden, die solche Reisen überhaupt erst ermöglichen. Die NZZ-Nahostkorrespondentin Inga Rogg geht davon aus, dass sich inzwischen mehr als 10'000 Menschen aus der Krisenregion in Belarus befinden. Ihr Ziel: Westeuropa.

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SRF-Korrespondentin Luzia Tschirky berichtet vom Grenzgebiet
Aus Tagesschau vom 12.11.2021.
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So funktioniert das Schleppersystem: Rogg kennt das System im nordirakischen Kurdengebiet. Demnach kontaktiert eine Person, die nach Europa will – bei vielen von ihnen handle es sich um Jesiden – zunächst einen dortigen Menschenschmuggler. Dieser garantiert, die Person oder die Familie in das gewünschte westeuropäische Land zu bringen und nennt dafür seinen Preis: «Dieser ‹all-inclusive-Service› kostet 10'000 bis 13'000 Dollar pro Person», so Rogg. Je erfolgreicher ein Menschenschmuggler sei, umso höher ist sein Ansehen – und umso mehr Menschen wenden sich an ihn. Dabei werde der Kontakt über Verwandte, Freunde oder über Mund-zu-Mund-Propaganda vermittelt.

Tausende warten im Grenzgebiet

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Legende: Keystone

Die Lage an der polnisch-belarussischen Grenze hat sich seit Wochenbeginn dramatisch verschlechtert, als Tausende Migranten sich von belarussischer Seite aus auf den Weg in Richtung EU machten. Bereits mehrfach versuchten grössere Gruppen vergeblich, die Zaunanlage zu durchbrechen, mit der Polen sie von einem Grenzübertritt abhalten will – so auch in der Nacht auf Freitag.

Die kurdische Regionalregierung in Nordirak gab inzwischen bekannt, dass im polnisch-belarussischen Grenzgebiet rund 8000 Flüchtlinge aus den Kurdengebieten festsitzen. Ein Regierungssprecher sagte, die Menschen seien Opfer von Schleusernetzwerken geworden. Iraks Zentralregierung ihrerseits will nach eigenen Angaben Flüchtlinge aus Belarus zurück in die Heimat bringen. Die irakische Botschaft in Moskau rief sie dazu auf, sich für Rückflüge registrieren zu lassen. Ein Sprecher des irakischen Ministeriums für Migration sagte jedoch der Nachrichtenagentur dpa, ein Grossteil von ihnen wolle nicht zurück.

Und auch in der Türkei kommt etwas in Bewegung: Auf Druck der EU hin lässt die Türkei Staatsbürger mehrerer arabischer Staaten nicht mehr von ihrem Staatsgebiet aus nach Belarus fliegen. So könnten Menschen mit syrischen, irakischen und jemenitischen Pässen bis auf Weiteres keine Tickets mehr kaufen und nicht mehr an Bord der Flugzeuge gehen, teilte die zivile Luftfahrtbehörde der Türkei am Freitag mit. Die EU hatte zuvor Sanktionen gegen Fluggesellschaften angedroht, die Migranten mit der Absicht der illegalen Einreise in die EU nach Belarus befördern. (sda/reuters)

Das ist die Fluchtroute: Der Weg vom nordirakischen Erbil nach Europa führe meist über die Türkei, so Rogg. «Da spielen seit langem etablierte Netzwerke eine grosse Rolle, schliesslich flüchten schon seit Jahrzehnten Menschen aus Kurdistan.» In der Türkei wiederum hätten die dortigen Schlepper Beziehungen zur Polizei und arbeiteten mit Bestechungsgeldern. «International gesehen kann man durchaus von mafiösen Strukturen sprechen», sagt die Journalistin. Insofern sei der kurdische Schlepper bloss das erste Glied in der internationalen Kette der Schmugglermafia. Am Freitagabend gab die türkische Luftfahrtbehörde aber bekannt, dass Menschen mit syrischen, irakischen und jemenitischen Pässen bis auf Weiteres keine Tickets mehr für Flüge nach Belarus kaufen dürfen.

So gelangen die Migranten nach Westeuropa

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Legende: Polizeikontrolle auf polnischer Seite im Grenzgebiet zu Belarus. Keystone

Einmal in Minsk angekommen, würden jene Flüchtlinge, welche für ihre Flucht die Dienste eines internationalen Schleppernetzes in Anspruch nehmen, per Taxi oder Kleinbus ins Grenzgebiet zu Polen gefahren, wo sie von einem lokalen Schlepper über die grüne Grenze gelotst werden, sagt Inga Rogg. Jene, die es nach Polen schaffen, würden sodann per Taxi an die deutsche Grenze gefahren, wo wiederum jemand mit einem Auto für den Weitertransport auf sie warte.

Darum geht neuerdings die Route über Belarus: Dass neuerdings Direktflüge aus Syrien nach Belarus angeboten werden, ist mit ein Grund, warum plötzlich so viele Migrantinnen und Flüchtlinge über Belarus nach Europa zu gelangen versuchen. «Es gibt Berichte, wonach sich Vertreter des syrischen und des belarussischen Regimes getroffen haben – kurz danach wurden die Direktflüge von Damaskus nach Minsk aufgenommen», so Rogg. Bei der involvierten Fluggesellschaft handle es sich um eine, die dem syrischen Machthaber Bashar al-Assad nahestehe. Dagegen seien in Irak und im Kurdengebiet kaum Behördenvertreter in die Schlepperaktivitäten involviert, so Rogg.

SRF 4 News aktuell vom 12.11.2021, 08.20 Uhr;

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