Russland macht derzeit nicht nur in der Ukraine militärisch Boden gut. Es intensiviert auch seine sogenannt hybride Kriegsführung gegen den Westen und die Nato mit Cyberangriffen, Brandstiftungen, entgleisten Zügen. Fredy Gsteiger, der sich bei SRF mit Sicherheitspolitik befasst, beobachtet die Vorgänge. Er hat Antworten auf einige der brennendsten Fragen.
Was gehört zur hybriden Kriegsführung Russlands?
Das reicht von Hacker-Angriffen über Sabotage militärischer Anlagen bis hin zu physischen Angriffen auf Personen in Nato-Ländern. So ging in Grossbritannien ein Lagerhaus mit Hilfsgütern für die Ukraine in Flammen auf, in Bayern wurde versucht, ein Logistikzentrum und Militäranlagen zu sabotieren, in Schweden sind Züge entgleist, über der Ostsee wurde der zivile Flugverkehr mittels elektronischer Kriegsführung gestört. Hinter all diesen Fällen stecke Russland als Urheber, sind westliche Geheimdienste und die Polizei überzeugt. Solche hybriden Angriffe aus Moskau sind nicht neu – aber ihre Anzahl und das Ausmass haben in den letzten Wochen stark zugenommen.
Was sind Moskaus Absichten der hybriden Kriegsführung?
Laut westlichen Experten spürt Russland im Angriffskrieg gegen die Ukraine zwar Auftrieb, zugleich aber weiss Moskau, dass es kein leichter Sieg wird. Deshalb will der Kreml die westliche Bereitschaft aushöhlen, die Ukraine zu unterstützen. Russland will also quasi den Preis für die Europäer hochtreiben, den sie für die Unterstützung Kiews bezahlen müssen. Ausserdem geht es Moskau darum zu testen, wo die Schwächen der Europäer liegen – und wie sie reagieren. Dies im Hinblick auf die Zeit nach einem möglichen russischen Sieg über die Ukraine. Denn dann könnten Nato-Staaten ins militärische Visier Moskaus geraten.
Warum intensiviert Russland seine hybriden Angriffe gerade jetzt?
Ein Grund dürften die im Juni anstehenden Wahlen fürs Europäische Parlament sein. In vielen Ländern verspüren rechts- und linkspopulistische Parteien Aufwind. Sie zeigen Sympathien für Russland und andere autokratische Regime und würden den Ukraine-Krieg noch so gern rasch beenden – auch wenn das eine Eroberung der Ukraine durch die Russen bedeutete. Moskau will diese Parteien durch die hybride Kriegsführung stärken, indem es Unruhe schürt und Zweifel an den aktuellen westlichen Regierungen sät. Ausserdem gibt es in den die meisten Rechtsaussen- und Linksaussenparteien-Parteien einen starken Putin-Flügel, was vom Kreml natürlich gezielt und auch finanziell gefördert wird.
Was kann der Westen gegen die Angriffe tun?
Nur wenig. Die Nato spricht etwas vage von «mehr Koordination» oder «Wachsamkeit». Grundsätzlich haben Diktaturen in einem hybriden Krieg die besseren Karten als Demokratien. Schliesslich kann ein westliches, demokratisches Land nicht einfach den zivilen Flugverkehr in Russland stören oder dort Munitionsfabriken angreifen. Denn solches würde erstens im Westen publik, ausserdem wären solche Aktionen dort höchst umstritten. Eine Diktatur wie Russland hat viel mehr Möglichkeiten, im Bereich der hybriden Kriegsführung aktiv zu werden – und das, ohne dass seine Urheberschaft in den meisten Fällen hieb- und stichfest nachgewiesen werden kann.