Noch nie hat die Welt so viel Kohle für die Stromproduktion verbraucht wie im letzten Jahr. Das steht im Jahresbericht von Systems-Change-Lab. Der Kohlekonsum ist einer von 45 untersuchten Indikatoren für Fortschritte im Kampf gegen die Klimakrise. Alle sind sie nicht auf Kurs. SRF-Wirtschaftsredaktor Klaus Ammann hat die Einzelheiten.
Wie kommt es zum Rekord-Kohleverbrauch?
Kohle war 2024 trotz aller Klima-Anstrengungen weltweit nach wie vor der wichtigste Rohstoff, um elektrischen Strom zu produzieren. Gut ein Drittel des Stroms weltweit kommt aus Kohlekraftwerken. Zwar wurden die Kapazitäten zur Stromproduktion aus erneuerbaren und klimafreundlichen Quellen – Sonne, Wind und Wasser – 2024 massiv ausgebaut und der Anteil von Kohle an der gesamten Stromproduktion ist leicht gesunken. Trotzdem ist der Kohleverbrauch in absoluten Zahlen nochmals angestiegen – und das, obwohl die Staatengemeinschaft 2021 an der Klimakonferenz in Glasgow beschlossen hatte, den Ausstieg aus der Kohle voranzutreiben.
Welche Länder verbrauchen am meisten Kohle?
Insbesondere China und Indien setzen immer noch massiv auf Kohle zur Stromproduktion. So ist 2024 der Kohleverbrauch in China im Vergleich zum Vorjahr um fast zwei Prozent angestiegen, in Indien um vier Prozent. Auch Indonesien und Vietnam verzeichneten ein Wachstum; ganz anders die EU, wo allein 2024 der Kohleverbrauch um elf Prozent zurückgegangen ist. Auch in den USA ist er um vier Prozent gesunken. Zur Veranschaulichung: China hat allein 2024 mit dem Bau neuer Kohlekraftwerke mit einer Gesamtleistung von mehr als 90 Gigawatt begonnen. Die neuen Kohlekraftwerke werden dereinst also so viel Strom produzieren, wie rund 90 AKWs des modernsten Schweizer Typs in Betrieb – jenes von Gösgen – leisten würden.
Warum wird weltweit mehr Strom verbraucht?
2024 ist die Nachfrage nach Strom nicht nur in den Entwicklungsländern und den aufstrebenden Volkswirtschaften gestiegen, sondern erstmals seit Jahren auch wieder in Industriestaaten wie Europa oder den USA. Das hat einerseits mit dem Umstieg auf klimafreundliche Technologien wie Elektroautos und Wärmepumpen zu tun. Andererseits hat es aber auch damit zu tun, dass immer mehr grosse Rechenzentren betrieben werden – unter anderem für künstliche Intelligenz. Aussergewöhnlich hoch war der Stromverbrauch letztes Jahr in manchen Erdteilen auch wegen Hitzewellen, infolge derer wegen Klimaanlagen mehr Strom verbraucht wurde.
Wie steht es um das Erreichen der weltweiten Klimaziele?
Nicht gut. Der Bericht hat 45 Bereiche auf dem Weg zu Netto-null untersucht. Nirgendwo ist man auf Kurs – nicht einmal mehr im Elektroauto-Bereich, in dem es 2023 noch gut ausgesehen hatte. Inzwischen kommt auch der Umstieg auf die E-Mobilität zu wenig schnell voran, um die Klimaziele zu erreichen. Die anderen Indikatoren, von Heizungssystemen über den klimaschädlichen Fleischkonsum bis zur Entwaldungsrate, sind alle ungenügend. So wurde etwa auch während des ganzen Jahres 2024 noch jede Minute die Fläche von 22 Fussballfeldern Wald gerodet. Zwar gibt es in 35 der 45 untersuchten Bereiche eine Entwicklung in die richtige Richtung, aber sie geht viel zu langsam voran. So müsste etwa der Anteil von Kohlestrom an der gesamten Stromproduktion mehr als zehnmal schneller sinken, damit die Pariser Klimaziele in Reichweite bleiben.