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Krise in Venezuela Das harte Los der politischen Gefangenen

Die angesehene Menschenrechtsorganisation Foro Penal hat aktuell 976 Gefangene registriert.

Rebellion, Aufstachelung zur Gewalt oder sogar Terrorismus: Unter diesen offiziellen Anklagen sassen bis Anfang Jahr rund 250 Menschen als politische Gefangene in venezolanischen Gefängnissen. In den letzten zehn Tagen hat sich deren Zahl aber vervierfacht, sagt Gelys Chacin, Koordinatorin von Foro Penal Miami. Die angesehene Menschenrechtsorganisation hat aktuell 976 politische Gefangene registriert. In Wahrheit dürfte die Zahl aber noch höher sein.

Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation Foro Penal posieren für ein Foto
Legende: Sie kümmern sich um politische Gefangene: Mitarbeiter der angesehenen Menschenrechtsorganisation Foro Penal. Reuters

Eingeschüchterte und gefolterte Jugendliche

Früher habe das Regime vor allem oppositionelle Offiziere der Streitkräfte eingesperrt, oder deren Angehörige, um jede Rebellion in der Armee im Keim zu ersticken. Nun aber richte sich der Zorn des Maduro-Regimes verstärkt gegen Menschen aus den Armenvierteln. «Es sind vor allem Jugendliche aus den Slums, die nichts zu verlieren haben», sagt Foro Penal-Mitarbeiter Andres Rietman, der in Venezuela aufgewachsen ist. 77 der politischen Gefangenen, die Foro Penal betreut, sind unter 16 Jahren.

Diese Jugendlichen würden eingeschüchtert und gefoltert. Gelys Chacin kennt Fälle von Kindern, denen gedroht wurde: «Wenn du die Anwälte von Foro Penal einschaltest, wirst du hier sterben.»

Seit Tagen protestieren auch diejenigen Menschen, die lange Zeit von den Sozialprogrammen des Chavez-Regimes profitiert haben. Sie haben Hugo Chavez und dessen Nachfolger Nicolas Maduro bisher immer wieder gewählt.

Verhaftungen aus Rache

Dass sich nun die eigene Wählerbasis gegen ihn erhebt, sei für Maduro ein schwerer Schlag. Die Verhaftungswelle sei darum auch ein Racheakt, ist Gelys Chacin überzeugt: «Die meisten Menschen werden nicht während der Demonstrationen verhaftet, sondern erst später, häufig mitten in der Nacht und ohne Haftbefehl», weiss Andres Rietman.

Schweiz mahnt beide Seiten zur Zurückhaltung

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Das Eidgenössische Departement für äussere Angelegenheiten (EDA) verfolgt die Entwicklungen in Venezuela mit grosser Sorge. Bereits seit 2016 sei die Lage hinsichtlich Demokratie, Rechtsstaat, Gewaltentrennung und Menschenrechte äusserst unbefriedigend, heisst es in einer Stellungnahme auf Anfrage von SRF. «Angesichts der jüngsten Entwicklungen fordert die Schweiz die beteiligten Parteien auf, Zurückhaltung zu üben und eine verfassungskonforme Lösung der politischen Krise zu suchen», schreibt das EDA weiter.

Hinsichtlich einer offiziellen Anerkennung des selbsternannten Interims-Staatschefs Juan Guaidó, wie sie durch zahlreiche Staaten erfolgte, bleibt das EDA dabei, dass « die Schweiz in ihrer Praxis grundsätzlich nur Staaten anerkennt, nicht aber Regierungen. » Weiter fordert das EDA in der Stellungnahme freilich die Respektierung und Gewährleistung der Kompetenzen und der Sicherheit der Parlamentsmitglieder und namentlich von Parlamentspräsident Guaidó.

«Viele werden nach ein paar Tagen, meist ohne Anhörung, wieder freigelassen.» Letztlich gehe es darum, die Menschen einzuschüchtern, sagt Munida Muñoz, Direktorin von Foro Penal Miami. Das gelte auch für die rund 5000 freiwilligen Mitarbeiter von Foro Penal in Venezula. Derzeit sitze zum Beispiel die Mutter einer Regional-Koordinatorin im Gefängnis, eine deutliche Warnung an die Tochter und an Foro Penal.

«Ja klar, die Menschen in Venezuela haben Angst vor dem Regime», sagt Juristin Maria Michelena. Aber grösser sei mittlerweile die Angst, dass sich an den Zuständen im Land nichts ändert.

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