Zum Inhalt springen

Massenimpfung in Russland Gegen Corona impfen – aber auf Russisch

Der Kreml geht mit seiner «Sputnik»-Rezeptur eigene Wege. Auch bei den ersten Zielgruppen der lancierten Massenimpfung.

«Wir müssen zur Massenimpfung übergehen», sagte Wladimir Putin Mitte Januar zu seinen Ministern in einer Videoschaltung. Die Regierung müsse die dafür notwendige Infrastruktur zur Verfügung stellen. Diese Woche wurde nun mit den Massenimpfungen begonnen – zumindest offiziell.

Massenimpfung mit «Sputnik»

Aber hat Russland wirklich so richtig losgelegt mit Impfen gegen Covid-19? Ja und Nein. Vieles spricht dafür, dass der Kreml – wie so oft – etwas anordnet, das in der Realität des riesigen Landes nicht oder nur halb umgesetzt wird. Zugleich gibt es nur wenig zuverlässiges Zahlenmaterial über die Corona-Epidemie in Russland. Fallzahlen wie auch Opferzahlen bleiben schwammig.

Auch rund um den Impfstoff «Sputnik», der bereits im Sommer zugelassen worden war – als erste Corona-Vakzine weltweit – gibt es mehr Fragen als Antworten. Was man weiss: Schon bevor Putin die «Massenimpfung» angeordnet hat, wurde «Sputnik» gespritzt, aber es ist unklar, wie oft.

Bisherige Impfaktivitäten unklar

Das staatliche Fernsehen berichtete vor wenigen Tagen, es seien bereits zwei Millionen Bürgerinnen und Bürger geimpft worden. Andere offizielle Stellen nennen ähnlich hohe Zahlen. Wo diese Impfungen stattgefunden haben, ist schwer nachvollziehbar. Denn nach allem, was man weiss, gab es bisher nur in der Hauptstadt Moskau eine Impfkampagne von nennenswertem Umfang.

Bürgermeister Sergej Sobjanin gibt die Zahl der geimpften Stadtbewohnerinnen und -bewohner mit 220’000 an. In den Provinzen sind die Zahlen um ein Vielfaches kleiner. Manche Regionen melden bloss ein paar wenige hundert Geimpfte. Offenbar fehlt es nach wie vor an Impfdosen, Transportkapazitäten und ausgebildetem Personal.

Impfungen seit Wochen

Ist also alles nur ein grosser russischer Impf-Bluff? Das auch wieder nicht. In einer Poliklinik im Süden von Moskau wird schon seit Wochen gegen Covid geimpft. Dmitri Makagontschuk hat soeben den Arm hingehalten.

«Es hat nicht wehgetan, es war wie ein Mückenstich», erzählt der junge Mann. Er arbeitete im Gesundheitswesen. Mit der Impfung wolle er sich selber und seine Umgebung schützen.

Kein Vorrang für Alte und Schwache

Makagontschuk ist ein typischer Teilnehmer für die russische Impfkampagne, die sich bisher vor allem auf Moskau konzentriert. Nicht Alte und Schwache werden zuerst geimpft in Russland, sondern Vertreter bestimmter Berufsgruppen wie Ärztinnen, Lehrer, Medienschaffende oder Polizisten. Leute also, die in der Regel viel sozialen Kontakt haben.

Und wie steht es mit der Sicherheit und Wirksamkeit des russischen Impftstoffs «Sputnik»? Andrej Tjazhelnikov, Chefarzt der Poliklinik im Moskauer Süden, sieht kein Problem: «Ich bin absolut überzeugt, dass die Impfung sicher ist und dass sie vor Covid-19 schützt. Ich habe mich selber impfen lassen – und fühle mich gut.»

Widersprüche bleiben

Kritiker sehen «Sputnik» nicht so positiv. Sie bemängeln, dass es an Informationen fehle. Auch hätten die Hersteller des Impfstoffs keine wissenschaftlich nachprüfbaren Daten veröffentlicht.

Die russische Impfkampagne bleibt also voller Widersprüche. Und sie ist weniger erfolgreich als im Staatsfernsehen behauptet. Aber langsam kommt die Sache doch ins Rollen. In Moskau jedenfalls fällt auf: Immer mehr Leute erzählen, sie hätten sich den «Sputnik» in den Arm spritzen lassen.

Rendez-vous, 22.01.2021, 18:00 Uhr

Meistgelesene Artikel