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Gesetzgebung in Israel Israel will Kritik an seinem Vorgehen kriminalisieren

Nicht nur die Missbilligung israelischer Aktionen soll verboten werden, auch Hilfswerke sollen massiv behindert werden.

Wenn Hilfswerke Notrufe absetzen, geht es normalerweise um dringende Spendenaufrufe. In dem Schreiben, das 55 namhafte internationale humanitäre Organisationen unterzeichnet haben, geht es um viel mehr. Faktisch droht ihnen in Israel, respektive in den besetzten palästinensischen Gebieten, ein Arbeitsverbot. Nie war die Not im Gazastreifen und im Westjordanland grösser als jetzt.

Internationale Organisationen gelten in Israel als antisemitisch und israelische Menschenrechtsaktivisten als Verräter.
Autor: Eitan Diamond Rechtsexperte des International Humanitarian Law Centre

Eitan Diamond ist Manager und Rechtsexperte des International Humanitarian Law Centre in Jerusalem. Als Israeli, der Menschenrechtsverletzungen seines eigenen Staates anprangert, ist er sich harsche Kritik gewohnt: «Palästinenser gelten als Terroristen, internationale Organisationen als antisemitisch und israelische Menschenrechtsaktivisten als Verräter.»

Wer internationalen Gerichtshöfen Informationen über Menschenrechtsverletzungen gibt, würde mit fünf Jahren Gefängnis bestraft.
Autor: Eitan Diamond International Humanitarian Law Centre

Was die Regierung jetzt plane, gehe weit über das Niveau von Beschimpfungen hinaus. Im israelischen Parlament wird ein Gesetzespaket behandelt, das Kritik am israelischen Vorgehen in den besetzten palästinensischen Gebieten verbieten und die Zusammenarbeit mit den internationalen Gerichtshöfen strafbar machen würde.

Auch Israeli würden bestraft

Eitan Diamond erklärt: «Die internationalen Gerichte anzurufen, soll selbst für Israeli eine Straftat werden. Wer diesen Gerichtshöfen Informationen über Menschenrechtsverletzungen gibt, würde mit fünf Jahren Gefängnis bestraft, oder gar mit lebenslänglich, wenn es sich dabei um geheime Informationen handelt.»

ein Mann im Mittleren Alter
Legende: Eitan Diamond ist Manager und Rechtsexperte des International Humanitarian Law Centre in Jerusalem. SRF / ZVG

Die israelische Regierung wolle zudem nur noch humanitäre Organisationen zulassen, welche sich voll auf Regierungslinie befinden. Internationale Organisationen müssten sich neu registrieren und dabei beweisen, dass sich keiner ihrer Angestellten in den letzten sieben Jahren Israel-kritisch geäussert habe.

Menschen in Palästina drängen sich um eine Essensabgabe
Legende: Nie war die Not in Gaza so gross wie jetzt. Doch nun will die israelische Regierung auch noch internationale Hilfe erschweren. Reuters / Mahmoud Issa

Als Kritik gelte bereits, sich auf Urteile des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag zu berufen, sagt der israelische Menschenrechtsberater: «Laut einem Urteil des Internationalen Gerichtshofs sind die israelischen Siedlungen im besetzten Westjordanland illegal. Eine Organisation, welche sich auf dieses Urteil beruft, würde in Israel nicht mehr zugelassen.»

Massive Besteuerung von NGOs

Ein Gesetz sieht auch die massive Besteuerung von Organisationen vor, welche Geld aus dem Ausland erhalten: Bis zu 80 Prozent sollen diese dem israelischen Staat abgeben müssen. Kaum eine Organisation könnte sich das leisten.

Das würde bedeuten: Nachdem Israel bereits das Palästinenserhilfswerk UNRWA verboten hat, würden weitere Hilfsorganisationen für die palästinensische Bevölkerung wegfallen. Hilfe für sie zu leisten, wäre nur noch für Organisationen möglich, die ganz auf Regierungslinie sind und keine mutmasslichen Menschenrechtsverletzungen kritisieren.

Die internationale Gemeinschaft muss Israel klarmachen, dass ein Maulkorb für die israelische Zivilgesellschaft und sein Vorgehen gegen Menschenrechtsorganisationen inakzeptabel sind.
Autor: Eitan Diamond International Humanitarian Law Centre

Die 55 Nichtregierungsorganisationen, welche in einem Schreiben vor den Auswirkungen solcher Gesetze warnen, verlangen von ihren Staaten, dass diese mit Israel reden. Ein Anliegen, das Israeli wie Eitan Diamond sehr unterstützen. «Die internationale Gemeinschaft muss Israel klarmachen, dass ein Maulkorb für die israelische Zivilgesellschaft und sein Vorgehen gegen Menschenrechtsorganisationen inakzeptabel sind.»

Wenn man Israel, einem demokratischen Staat, ohne Widerspruch erlaube, das humanitäre Völkerrecht auszuhöhlen, hätte das auch globale Konsequenzen. Darin sind sich Eitan Diamond und die betroffenen Hilfswerke einig.

Rendez-vous, 14.5.2025, 12:30 Uhr; sten

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