In Ägypten wird über ein Kriegsende und die Zukunft Gazas verhandelt – Ausgang offen. Wer aber verhandelt da überhaupt für die beiden Seiten? Antworten hat Rewert Hoffer, Journalist in Tel Aviv.
SRF News: Was weiss man über Ron Dermer, der die israelische Delegation anführt?
Rewert Hoffer: Dermer ist so etwas wie die graue Eminenz in Israels Politik. Er ist schon seit Jahren der engste Vertraute von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Offiziell ist Dermer Minister für strategische Angelegenheiten und an allen wichtigen aussenpolitischen Projekten beteiligt.
Eine so hochrangige Person wie Ron Dermer hat wahrscheinlich viel Entscheidungsbefugnis.
Früher war Dermer israelischer Botschafter in Washington. Dort hat er vor fünf Jahren gemeinsam mit Jared Kushner die «Abraham Accords» ausgehandelt. Diese Abkommen sollen die Beziehungen zwischen Israel und einigen arabischen Staaten wie den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Bahrain normalisieren. Jetzt ist Dermer also israelischer Delegationsleiter in Ägypten. Für die Verhandlungen ist das ein positives Zeichen, weil eine so hochrangige Person wie Dermer wahrscheinlich auch viel Entscheidungsbefugnis hat.
Für die Hamas verhandelt Chalil al-Haja, ein ranghohes Mitglied des Hamas-Politbüros. Wer ist er?
Al-Haja ist ein Veteran der Hamas. Der 64-Jährige stammt aus Stadt-Gaza. Schon vor der Hamas-Gründung 1987 war er als junger Mann aktiv bei der Muslimbruderschaft. Wegen seiner Herkunft ist er von der Hamas-Exilführung wohl derjenige, der am engsten mit der militärischen Führung der Hamas im Gazastreifen vernetzt ist. Auch unterhält al-Haja sehr enge Beziehungen zum Iran.
Die Israelis verhandeln indirekt mit jemandem, den sie vor einem Monat fast getötet hätten.
Es gibt Berichte, dass al-Haja vor dem 7. Oktober 2023 die Angriffspläne für das Massaker an Israelis einem hochrangigen Kommandanten der iranischen Revolution präsentiert haben soll. Und es gibt starke Hinweise, dass der israelische Luftangriff auf eine Hamas-Delegation in Katar am vergangenen 9. September der Villa al-Hajas gegolten hat. Dabei überlebten zwar alle hochrangigen Hamas-Vertreter, aber mehrere Personen, darunter al-Hajas Sohn und sein Büroleiter, wurden getötet. Jetzt verhandeln die Israelis also indirekt mit jemandem, den sie vor einem Monat fast getötet hätten.
Mit der Hamas sitzt eine Terrororganisation quasi mit am Tisch in Scharm el-Scheich. Welche Rolle spielt denn die Palästinensische Autonomiebehörde aus Ramallah im Westjordanland bei den Verhandlungen?
Die spielt so gut wie keine Rolle, denn sie ist bei den Verhandlungen gar nicht vertreten. Die Palästinensische Autonomiebehörde, die eigentlich international anerkannt ist als Vertreterin der Palästinenser, ist komplett marginalisiert.
Die Hamas will nicht, dass ihr innerpalästinensischer Rivale – die Autonomiebehörde – eine grosse Rolle spielt.
Dafür gibt es zwei Gründe: Einerseits ist es das höchste Ziel der Regierung von Benjamin Netanjahu, die Autonomiebehörde aus einer Nachkriegsordnung von Gaza herauszuhalten. Sie befürchtet, dass sich die Palästinenser aus Gaza und aus dem Westjordanland vereinigen könnten, wenn die Palästinensische Autonomiebehörde einen Fuss in der Tür von Gaza hat. Dann würde ein Prozess in Gang gesetzt, der die Gründung eines palästinensischen Staates sehr viel wahrscheinlicher machen würde, so die Befürchtung in Jerusalem. Der zweite Grund ist, dass die Hamas nicht will, dass ihr innerpalästinensischer Rivale – die Autonomiebehörde aus dem Westjordanland – eine grosse Rolle spielt. Das dürfte denn auch der Hauptgrund sein, warum die offizielle Vertretung der Palästinenser in Scharm el-Scheich nicht repräsentiert ist.
Das Gespräch führte Thelly Reena.