Das letzte Sapad-Grossmanöver der Russen vor vier Jahren war laut Überzeugung vieler in der Nato die Generalprobe für den Überfall auf die Ukraine wenige Monate später. Jetzt haben Russland und Belarus wieder geübt – in viel kleinerem Rahmen. Die Hintergründe kennt Fredy Gsteiger.
Was wollte Russland mit Sapad 2025 zeigen?
Bei Sapad 2025 ging es Moskau konkret darum, nach innen und nach aussen Stärke zu demonstrieren. Trotzdem geht man im Westen nicht davon aus, dass Russland mit den Manövern unmittelbar einen Angriff auf ein Nato-Land üben wollte. Laut den meisten Strategiefachleuten und Generälen wäre Moskau mit einem solchen Angriff momentan überfordert. Manche fürchten aber, Russland könnte trotzdem schon bald zuschlagen und so die Chance nutzen, dass in den USA mit Donald Trump ein extrem kremlfreundlicher Präsident regiert.
Welche Waffen und Manöver haben Russland und Belarus konkret getestet?
Wie bei fast allen heutigen Manövern ging es nicht zuletzt um die Verbesserung von Koordination und Kooperation zwischen verschiedenen Truppengattungen wie Marine, Luftwaffe, Boden- und Cybertruppen. Doch eine wichtige Rolle spielten tatsächlich auch die Waffen. So präsentierten die Russen Drohnen, von denen das Land inzwischen jeden Tag Unmengen produzieren kann und dafür ständig neue Fabriken aus dem Boden stampft. Es wurden aber auch Bomber-Flugzeuge oder Hyperschall-Marschflugkörper gezeigt. Nicht bestätigt ist, ob es auch Übungen mit den neuen Oreschnik-Mittelstreckenraketen gab.
Wurden auch Waffen getestet, die man atomar bestücken kann?
Ja, beispielsweise bei den Kampfbomben, die über die Barentssee flogen, und bei den erwähnten Oreschnik-Raketen. Nicht zuletzt deshalb rief Nato-Generalsekretär Mark Rutte den Mitgliedsländern des Verteidigungsbündnisses in Erinnerung, dass nicht nur das Baltikum oder Polen bedroht seien, sondern alle Nato-Länder. «Wir alle gehören im Grunde zur Nato-Ostflanke», sagte Rutte.
Wie kommt diese Botschaft bei den Nato-Ländern an?
Grundsätzlich wird sie gehört, doch die Frage ist, wer dann wie handelt. Die Nato steht vor drei grossen Problemen: Russland greift zu immer dreisteren Sabotageakten wie Cyberangriffen oder Drohneneinsätzen. Dazu kommt seine antiwestliche Rhetorik, mittlerweile wird in Russland offen gesagt, man befinde sich in einem Krieg gegen den Westen. Die zweite Erkenntnis der Nato ist, dass man jetzt schon Mühe hat, den russischen Provokationen zu begegnen, und erst recht Mühe hätte, sollte Russland ernsthaft angreifen. Und drittens wird immer offenkundiger, dass Europa, solange in den USA Präsident Donald Trump regiert, von den Vereinigten Staaten immer weniger Unterstützung erwarten darf.
Müssen die europäischen Nato-Staaten also stärker und schneller aufrüsten?
Aufrüstung ist tatsächlich der naheliegende Schluss. Dazu haben sich die 32 Nato-Mitglieder auf ihrem Gipfel in Den Haag ja auch bekannt. Doch die Umsetzung ist ein Problem. Es ist durchaus Teil des russischen Kalküls, die Europäer in einen Rüstungswettlauf zu zwingen. Denn massiv aufrüsten heisst ja auch, zig Milliarden Euro zusätzlich in die Verteidigung zu stecken. Das wiederum zwingt europäische Regierungen, bei anderen Staatsausgaben wie Bildung, Gesundheit, Klimaschutz oder Altersvorsorge zu sparen. Und das ist in der Bevölkerung unpopulär und verschärft gesellschaftliche Spannungen. Das wiederum setzt Regierungen unter Druck und destabilisiert westeuropäische Länder. Und das ist im Interesse Moskaus.