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Luftschläge in Damaskus Kämpfe in Drusen-Stadt Suweida – Israel fliegt Vergeltungsschläge

  • Trotz Waffenruhe sind in der syrischen Stadt Suweida erneut Kämpfe zwischen drusischen Milizen und Regierungstruppen ausgebrochen.
  • Israel sieht sich als Schutzmacht der Minderheit der Drusen und greift in den Konflikt ein.
  • Das israelische Militär hat mehrere Ziele in der syrischen Hauptstadt Damaskus aus der Luft angegriffen.

Die israelische Armee hat bestätigt, das militärische Hauptquartier in Damaskus getroffen zu haben. Kurz darauf kam es zu weiteren schweren Explosionen auf dem Gelände, auf dem auch das Verteidigungsministerium liegt. Raketeneinschläge gab es zudem in der Nähe des syrischen Präsidentenpalastes. Gemäss dem israelischen Militär gab es dort ein «militärisches Ziel».

Rauchwolken über Stadtlandschaft.
Legende: Rauch steigt über Damaskus auf. (16.07.2025) REUTERS / Khalil Ashawi

Nach offiziellen syrischen Angaben wurden in Damaskus mindestens 18 Menschen verletzt. Eine Person wurde getötet. Mit diesen Luftangriffen griff Israels Militär noch deutlich stärker als bisher in die seit Tagen anhaltende Gewalt in Syrien ein. Israelischen Medien zufolge bereitet sich das Militär auf mehrtägige Einsätze im Nachbarland vor.

Syrische Regierung schickt Truppen in den Süden

Im Süden Syriens waren Kämpfe zwischen drusischen Milizen und sunnitischen Beduinen ausgebrochen, woraufhin die syrische Regierung Truppen und andere Sicherheitskräfte schickte. Die Regierung hat erklärt, im Süden für Stabilität sorgen und Zivilisten schützen zu wollen.

Nach Erkenntnissen der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte kämpfen die Truppen und Sicherheitskräfte der Regierung aber an der Seite sunnitischer Beduinen und gegen drusische Milizen. Die Regierung in Damaskus rief seine Sicherheitskräfte zur Disziplin auf.

Verwirrung um angebliche Waffenruhe in Syrien

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Nach tagelanger Gewalt gibt es weiter Bemühungen um eine Waffenruhe. Aus dem Innenministerium in der Hauptstadt Damaskus hiess es am Mittwoch, die Konfliktparteien in Suweida hätten sich auf eine Waffenruhe und die Errichtung von Kontrollpunkten in dem Ort geeinigt. Zugleich herrschte aber Verwirrung, ob die Waffenruhe zwischen drusischen Milizen, sunnitischen Beduinen und Regierungstruppen tatsächlich von allen Seiten akzeptiert wurde.

Aus der drusischen Führung gab es dazu widersprüchliche Angaben. Einer ihrer geistlichen Führer, Jusuf al-Dscharbu, veröffentlichte die Bedingungen der Waffenruhe. Gleichzeitig widersprach der geistliche Drusenführer Hikmat al-Hidschri, der laut Berichten Israel nahesteht, dass solch eine Waffenruhe vereinbart worden sei.

Die Beobachtungsstelle berichtete von Plünderungen und Vandalismus, teils hätten Regierungstruppen und deren Verbündete auch Feuer gelegt. Viele Menschen flüchten aus dem Gebiet. Es wird befürchtet, dass Lebensmittel und medizinisches Material knapp werden könnten.

Zwei bewaffnete Männer laufen neben einem Feuer.
Legende: Rauch steigt auf, während syrische Sicherheitskräfte nach Gefechten durch die Drusenstadt Suweida marschieren. (15.7.2025) Reuters / KARAM AL-MASRI

Israel will mit seinem Eingreifen die Drusen schützen. Israel fühlt sich ihrem Schutz verpflichtet, auch weil viele Drusen im israelischen Militär dienen.

«Das syrische Regime muss die Drusen in Suweida in Ruhe lassen und seine Truppen abziehen», sagte der israelische Verteidigungsminister Israel Katz. Das Militär werde seine Angriffe auf die syrischen Truppen noch verstärken, «wenn die Botschaft nicht ankommt».

Menschengruppe mit Fahne an Zaun und Sicherheitskräften.
Legende: Wegen der Situation in Suweida kam es an der israelisch-syrischen Grenze zu tumultartigen Szenen. (16.07.2025) REUTERS / Ammar Awad

Wie am Dienstag versuchten auch am Mittwoch einige Drusen aus Israel, die Grenze zu Syrien zu überqueren, um andere Drusen dort zu unterstützen. Anführer der Drusen in Israel machen zugleich Druck auf die israelische Führung, in den Konflikt im Nachbarland einzugreifen. Viele syrische Drusen hingegen lehnen ein Eingreifen Israels ab und befürchten eine Einmischung von aussen in syrische Angelegenheiten.

Kurzeinschätzung: weitere Eskalation in Syrien möglich

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Eine Einschätzung von den Nahost-Korrespondenten Anita Bünter und Jonas Bischoff:

Die aktuellen Ereignisse in Syrien bergen die Gefahr einer weiteren Eskalation. Am frühen Abend kam zwar die Meldung, dass sich die Übergangsregierung in Damaskus und die Drusen auf einen Waffenstillstand geeinigt hätten. Aber dieses Abkommen wird offenbar nicht von allen Drusen-Fraktionen mitgetragen. Das deutet auf mögliche weitere Kämpfe hin.

Laut Menschenrechtsorganisationen wurden seit Ausbruch der Gewalt im Süden Syriens bisher rund 300 Menschen getötet. Es gibt Berichte, wonach Mitglieder der drusischen Minderheit misshandelt oder gezielt getötet worden sein sollen – angeblich auch durch Truppen der Übergangsregierung. Das erinnert an die ethnischen Tötungen vor einigen Monaten im syrischen Küstengebiet, wo viele Angehörige der alawitischen Minderheit leben.

Nach wie vor trauen viele Minderheiten in Syrien den neuen Machthabern nicht. Solange es diesen nicht gelingt, die Minderheiten besser in den Staat einzubinden, wächst die Gefahr eines Zerfalls des Landes oder gar eines neuen Bürgerkriegs.

Laut Israels Armee versuchten «Dutzende Verdächtige» von Syrien aus auf israelisch kontrolliertes Gebiet zu gelangen. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte der Deutschen Presse-Agentur, dass es sich um syrische Drusen handle, die in Israel Schutz suchten.

Mehr als 300 Menschen getötet

Seit Sonntag wurden laut Menschenrechtsaktivisten mehr als 300 Menschen getötet, darunter mehr als 20, die «hingerichtet» worden seien. Darunter seien etwa 180 Soldaten und Sicherheitskräfte der syrischen Regierung. Armeekreise bestätigten Todeszahlen in ihren Reihen in ähnlicher Höhe. Auch drusische Quellen bestätigten, dass mehr als 250 Menschen in Suweida getötet worden seien.

SRF 4 News, 16.07.2025, 10:00 Uhr ; 

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