Spitzentreffen in Alaska und Washington und Diskussionen über eine allfällige Ukraine-Konferenz in Genf beherrschen zurzeit die Schlagzeilen. Über allem stehe die Frage nach Sicherheitsgarantien für das überfallene Land, sagt der Politikwissenschaftler Christoph Schuck.
SRF News: Die weiteren Schritte hängen von Sicherheitsgarantien für die Ukraine ab. Was heisst das genau?
Christoph Schuck: Für die Ukraine geht es darum, dass ein Friedensschluss oder ein Waffenstillstandsabkommen von russischer Seite nicht dazu verwendet wird, einige Monate später mit vielleicht noch grösserer Härte erneut anzugreifen. Das will die Ukraine auf jeden Fall verhindern. Wie das aussehen soll, wird momentan intensiv diskutiert.
Es ist viel von Artikel 5 im Nato-Vertrag zum Bündnisfall die Rede. Was würde dies für die Ukraine bedeuten?
Eine Orientierung am Artikel 5 des Nato-Vertrags geht in eine gute Richtung. Doch eine belastbare Sicherheitsgarantie würde zwingend die Stationierung ausländischer Truppen in der Ukraine erfordern. Falls dann Russland nochmals angreifen würde, wären diese Staaten mit Truppen in der Ukraine automatisch Konfliktpartner. Das würde tatsächlich abschreckend wirken, wie das im Kalten Krieg beobachtet werden konnte.
Wie realistisch ist es, dass die EU oder die USA Truppen in die Ukraine entsenden?
Das ist zum jetzigen Zeitpunkt kaum zu beantworten. Selbst wenn es einmal so weit käme, bräuchte es auch die militärische Potenz. Hier ist der Befund sehr eindeutig: In Europa besteht zwar vielleicht die Grundbereitschaft dazu, aber wahrscheinlich nicht genügend militärische Abschreckungskraft. Ohne die Amerikaner wird diese Sicherheitsgarantie nicht möglich sein.
Gibt es realistischere Optionen?
Die bestmögliche Lösung wäre wohl, starke Sicherheitsgarantien zunächst vertraglich zu fixieren. Um dann in einem zweiten Schritt gewisse Truppenkontingente auf ukrainischem Territorium zu stationieren. Dies müsste dann aber für den Fall eines russischen Angriffs auch auf europäische Truppen eng damit verflochten sein, dass die Amerikaner wieder mitmachen. Das ungünstige Szenario wäre, wenn die Amerikaner draussen sind und irgendwann sagen, das sei nicht ihr Konflikt. Denn aktuell ist Europa noch nicht abschreckungsfähig. Das mag sich vielleicht in fünf Jahren geändert haben.
Auch Russland will Garantien, etwa dass die Ukraine nie der Nato beitritt. Was will Russland sonst noch?
Russland ist von den ursprünglichen Forderungen nie abgerückt. Da gibt es ab und zu ein Häppchen, damit US-Präsident Trump den Eindruck erhält, Moskau sei nach wie vor bei Verhandlungen dabei. Substanziell hat sich aber an der Haltung zur Ukraine nichts geändert: kein Nato-Beitritt, Demobilisierung der ukrainischen Armee, Auflösung aller Parteien im Parlament bis auf die prorussischen. All dies käme einer totalen Kapitulation der Ukraine gleich.
Sie tönen sehr skeptisch. Gibt es doch noch etwas Optimismus?
Wir müssen realistisch an die Situation herangehen. Sicherheitsgarantien werden nicht nach dem ersten oder zweiten Treffen verabschiedet. Alaska und Washington sind ein guter Start, aber es wird dauern. Eine klare Strategie der USA ist bisher nicht sichtbar. Auf europäischer Seite geht es zunehmend in eine gute Richtung. Auch die Ukraine muss ins Boot genommen werden. Die Zeiten sind vorbei, als Supermächte über den Kopf von anderen Staaten hinweg Entscheidungen getroffen haben. Es wird noch ein sehr langer Weg.
Das Gespräch führte Dominik Brand.