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Europa als neues Spielfeld für Orban?
Aus Echo der Zeit vom 05.04.2019. Bild: Imago
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Ungarn vor der Europawahl Die letzte Schlacht des Viktor Orban

Ungarns Regierungschef und seine Fidesz-Partei wollen die Europawahlen gewinnen – mit martialischen Slogans. Für Orban geht es um viel.

In der Welt von Viktor Orban sind Wahlen Revolutionen oder Schlachten. Auf jeden Fall sind sie heroische Kämpfe gegen potenzielle Unterdrücker. In der Vergangenheit ging es ihm darum, Ungarn zu retten. Jetzt gehe es um mehr, sagt Paul Peter Schmitt, Orbans Vize-Staatssekretär für Europafragen: «Unsere Gesellschaftsstruktur, unsere Grundwerte stehen auf dem Spiel.»

Europa müsse sich in den anstehenden Wahlen entscheiden, erklärt der 35-jährige Karrierediplomat. Entweder wolle es weiterhin ein Kontinent christlich geprägter Nationalstaaten bleiben. Oder es lasse noch mehr Zuwanderung zu und verliere seine Identität. «Es geht um die Zukunft Europas, nicht bloss um Ungarn und auch nicht um Orbans Fidesz-Partei», betont er.

Orban will europäische Rechte anführen

Dem widerspricht der Direktor des unabhängigen Budapester Forschungsinstituts Political Capital: In Wahrheit gehe es ausschliesslich um Orban und seine Fidesz, sagt Peter Krekö. Orban wolle seine Anhänger für die Europawahlen mobilisieren. Und weil diese Wahlen in Ungarn normalerweise nur wenige interessieren, erhöhe er rhetorisch den Einsatz.

Orbans Hauptziel sei, genügend Fidesz-Abgeordnete ins Europaparlament zu schicken, damit er auf der europäischen Bühne eine wichtige Rolle spielen könne. Dabei muss man wissen: Ungarn stellt 21 von insgesamt über 700 EU-Parlamentariern.

In seinem Heimatland hat Orban alles erreicht, was er wollte. Drei Mal hintereinander wurde er mit erdrückenden Mehrheiten gewählt. Er hat das Land weitgehend nach seinem Gusto umgebaut, kritische Stimmen hat er an den Rand gedrängt. Orbans nächstes Spielfeld sei Europa, ist Krekö überzeugt.

Ein neuer Zeitgeist in Europa?

«Er glaubt fest daran, dass seine konservativen, illiberalen Ansichten in Europa künftig Mainstream sein werden. Und er glaubt, dass er in diesem Europa eine Hauptrolle spielen wird», so Krekö. Das zentrale Motiv dieses neuen Zeitgeistes sei in den Augen Orbans eine harte Flüchtlingspolitik. In der Tat hat er sich mit dieser Politik in der EU bereits weitgehend durchgesetzt.

Die Verteilung von Flüchtlingen auf verschiedene EU-Länder ist vom Tisch, die europäische Kritik am ungarischen Grenzzaun verstummt. Dennoch behauptet Ungarns Regierung weiter, der Rest Europas wolle die Grenzen für Millionen von Flüchtlingen öffnen. Brüssel plane im Geheimen, alle Schranken für die Zuwanderung niederzureissen, sagt Vize-Staatssekretär Schmitt.

Riskante Taktik

Die Regierung hat die Ungarinnen und Ungaren mit Plakaten über den angeblichen EU-Geheimplan «aufgeklärt». Die Plakate waren derart provokativ, dass deswegen die Mitgliedschaft von Orbans Fidesz in der Europäischen Volkspartei auf Eis liegt.

Provokation und Widerstand gehörten zu Orbans Versuch, sich auf der Weltbühne mehr Einfluss zu verschaffen als ihm als Regierungschef eines kleinen Landes eigentlich zukomme, sagt Politikexperte Krekö.

Allerdings ist Orbans Taktik riskant. Seine Widerborstigkeit bei gemeinsamen europäischen Vorhaben und der drohende Ausschluss aus der europäischen Volkspartei könnten ihn isolieren, glaubt Krekö. Zwar könne Orban mit seiner Kampagne vielleicht viele Sitze bei der Europawahl holen. Doch wenn er dafür nicht mehr Teil des europäischen Mainstreams sei, opfere er für kurzfristige taktische Gewinne seine strategischen Ziele.

Rechter Aussenverteidiger oder Spielmacher?

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Der Fussballfan Orban erwartet, dass bei den EU-Parlamentswahlen am 26. Mai auch in anderen Ländern Parteien gewinnen, die sich wie er ein weniger tolerantes und abgeschotteteres Europa wünschen. Er glaubt, die politische Mitte in der EU rutsche nach rechts. Und in diesem neuen Mittelfeld sieht sich Orban als Spielmacher.

Kommt es auf dem europäischen Spielfeld aber nicht zu diesem Rechtsruck, könnte er stattdessen als eine Art rechter Aussenverteidiger enden. Eine unbefriedigende Position für einen Mann, der sich dazu berufen fühlt, europäische Geschichte zu schreiben.

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