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Unruhe an der Staatsspitze Italien: Kein Komplott, aber ein Ablenkungsmanöver?

Ein Mitarbeiter des Staatspräsidenten macht beim Essen eine Bemerkung – und schon wird eine Staatsaffäre daraus.

Staatspräsident Mattarella hat Italien in den letzten Jahren durch Turbulenzen und Regierungskrisen geführt, stets mit sicherer Hand. Auch darum ist das unterdessen 84-jährige Staatsoberhaupt Italiens in allen politischen Lagern geachtet.

Am Dienstag aber zielte Galeazzo Bignami direkt auf jenen Hügel in Rom, auf dem der Palast des Staatspräsidenten steht. Bignami ist ein Freund Melonis und leitet deren Partei in der grossen Parlamentskammer. Er warf einem engen Mitarbeiter Mattarellas vor, die Wiederwahl Giorgia Melonis in zwei Jahren verhindern zu wollen. Es handle sich um ein Komplott gegen die Regierung Meloni.

Dieser enge Mitarbeiter Mattarellas soll in einem Römer Restaurant in informellem Rahmen vor Publikum gesagt haben, die Opposition müsse dringend einen geeigneten Kandidaten finden, um Meloni bei der Wahl in zwei Jahren schlagen zu können.

Zweifelhafter Ruf von Bignami

Das ist für einen Berater des Staatspräsidenten eine problematische Aussage. Doch um ein Komplott des Staatspräsidenten gegen die Regierung handelt es sich nicht.

Zudem hat Galeazzo Bignami, der den Komplott-Vorwurf propagierte, einen zweifelhaften Ruf. Hatte er sich in früheren Jahren doch einmal in einer braunen NS-Uniform mit Hakenkreuz am Ärmel ablichten lassen.

Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Staatspräsident Sergio Mattarella  beim Begräbnis von Papa Emeritus Benedikt.
Legende: Italiens Staatsführung vereint: Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Staatspräsident Sergio Mattarella. Keystone/Antonio Calanni/Archiv

Am Mittwoch nun liess sich Meloni auf den Hügel zu Mattarella chauffieren. Bei ihrem Treffen waren beide bemüht, die Wogen zu glätten. Wäre das Hickhack so munter weitergegangen, hätte das Vertrauen in die staatlichen Institutionen gelitten. Zu den Gründen für diese massive Attacke der Regierungspartei sagt die Opposition, Meloni und ihre Entourage verstünden es eben trefflich, Dinge aufzubauschen, um auf diese Weise anderes aus den Schlagzeilen zu verdrängen.

Gemeint sind zum Beispiel negative Meldungen: Dieser Tage wurde etwa bekannt, dass sich die Aussichten für Italiens Wirtschaft merklich eintrüben. Oder vor fast genau zwei Jahren hatte Meloni versprochen, das Flüchtlingsproblem mit ihren Lagern in Albanien zu lösen. Diese Lager stehen zwar und kosteten viel, sind bisher aber wirkungslos.

Direktwahl des Premiers?

Ein Komplott Mattarellas gegen Meloni gibt es nicht, aber es gibt Reibungsflächen. Meloni nämlich will in Zukunft eine starke Frau oder einen starken Mann an der Spitze des Staates, einen Regierungschef oder eine -chefin, die oder der direkt vom Volk für fünf Jahre gewählt würde.

Ein alter Mann vor einer italienischen Flagge. Er gestikuliert.
Legende: Der 84-jährige Sergio Mattarella ist seit 2015 Präsident der italienischen Republik. Keystone/Karsten Koall

Eine Reform, die Amtsinhaber Mattarella und der ganzen Opposition missfällt. Denn sie würde die Kompetenzen des Staatspräsidenten beschneiden und die Art und Weise, wie etwa Sergio Mattarella sein Amt ausfüllt, verunmöglichen.

Dieser Widerspruch ist real. Gut möglich, dass er auch in Zukunft zwischen der Premierministerin und dem Staatspräsidenten für Spannung sorgen wird.

Echo der Zeit, 19.11.2025, 18 Uhr;weds

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