Zum Inhalt springen

Nachbesserungen gefordert Bauernverband wägt Chancen und Risiken der EU-Verträge ab

Der Schweizer Bauernverband hat die Verträge mit Brüssel unter die Lupe genommen. In einem Positionspapier, das SRF vorliegt, wünscht er Nachbesserungen bei offenen Fragen.

Für Martin Rufer, den Direktor des Bauernverbandes, ist klar: «Die Schweiz hat ein sehr enges Verhältnis zur EU. Auch im Bereich der Landwirtschaft gibt es einen regen Warenaustausch.» Entsprechend wichtig seien die EU-Verträge für den Bauernverband – und deswegen würde die Stellungnahme auch «derart breit und basisdemokratisch» erarbeitet.

Bauer im Kuhstall.
Legende: Bei den Agrarprodukten und den Lebensmitteln geht die Hälfte der Schweizer Exporte in die EU, während fast drei Viertel der Importe aus der EU stammen. Der Bund bilanziert diese Waren auf 16 Milliarden Franken jährlich. Keystone/Urs Flüeler

Der Bauernverband begrüsst denn auch, dass der Bundesrat den bilateralen Weg verbessern will. Allerdings ist das Vertragspaket sehr komplex. Das sei ein Nachteil.

Tücken der dynamischen Rechtsübernahme

So wird das bestehende Landwirtschaftsabkommen zweigeteilt: in einen Agrarteil ohne dynamische Rechtsübernahme und einen neuen Teil zur Lebensmittelsicherheit mit dynamischer Rechtsübernahme. Das heisst: Hier würde die Schweiz künftig EU-Recht grundsätzlich übernehmen, mit Veto-Recht im Einzelfall.

Genau das beurteilt der Bauernverband kritisch. Im Entwurf seiner Position zum Vertragspaket steht:

Der hohe Regulierungsdruck der EU kann mit dieser Vorlage zukünftig eine einschränkende Wirkung für die Landwirtschaft haben.

Und weiter:

Gleichzeitig riskiert die Schweiz sich mit strengen nationalen Umweltvorgaben selbst Wettbewerbsnachteile zu schaffen. Damit blockiert sie die durch die Dynamisierung angestrebten Verbesserungen – zum Beispiel beim Pflanzenschutz.

Das heisst: Pestizide, die in der EU zugelassen sind, könnten künftig auch in der Schweiz eingesetzt werden – das begrüsst der Verband. Wenn das im Widerspruch zum strengen Gewässer- und Umweltschutz steht, müssten aus seiner Sicht die Regeln in der Schweiz angepasst werden.

Präzisierungen wünscht sich der Bauernverband dazu, wie das Vertragspaket im Inland umgesetzt würde – unter anderem zu den flankierenden arbeitsrechtlichen Massnahmen. Generell fordert er:

Die Umsetzung muss so erfolgen, dass die Schweizer Agrarstruktur, die bäuerliche Vielfalt, die hohen Standards und die drängenden Probleme beim Schutz der Kulturen nicht ausgehöhlt oder ausgehebelt, sondern gestärkt werden.

Der Bund hält fest: Zölle und Kontingente bleiben und somit auch der Grenzschutz für Landwirtschaftsprodukte. Auch bleiben Besonderheiten, etwa zum Tierschutz oder zu gentechnisch veränderten Organismen.

Positiv wertet der Bauernverband, dass der Agrar- und Lebensmittelbereich mit den Direktzahlungen und der Absatzförderung nicht vom EU-Verbot der staatlichen Beihilfen betroffen ist.

Volk und Stände sollen befragt werden

Im Bereich der Lebensmittelsicherheit begrüsst der Verband, dass die Schweiz künftig ins Schnellwarnsystem der EU eingebunden ist: Dass sie also rasch erfährt, wenn die Gesundheit gefährdet wäre, etwa wegen Schimmel oder Salmonellen in Lebensmitteln. Sonst ändere sich für Landwirtschaft und Lebensmittelproduzenten kaum etwas.

Trotzdem: Der Bauernverband ist wegen möglicher Risiken und vieler offener Fragen zum Vertragspaket skeptisch:

Damit die Balance zwischen Chancen und Risiken für die Schweizer Landwirtschaft gefunden werden kann, braucht es im Paket zwingend Nachbesserungen und Präzisierungen.

Zudem wünscht sich der Bauernverband – anders als der Bundesrat – eine Volksabstimmung mit doppeltem Mehr: Volk und Stände sollen befragt werden, sodass ländliche und strukturschwache Regionen ihr Gewicht in die Abstimmung legen können, hält das Papier fest.

Verband bezieht noch nicht Position

Inhaltlich äussert sich Direktor Martin Rufer noch nicht. Denn das Papier geht nun in die interne Vernehmlassung im Bauernverband. «Am Ende werden wir vor allem die landwirtschaftsrelevanten Themen beurteilen. Jetzt ist nicht die Zeit, um Ja oder Nein zu sagen.»

Seine Stellungnahme will der einflussreiche Bauernverband in der zweiten Oktober-Hälfte vorlegen. Eine Gesamtbeurteilung zum Verhandlungspaket Schweiz-EU will er erst nach der parlamentarischen Beratung vornehmen.

Echo der Zeit, 26.08.2025, 18 Uhr

Meistgelesene Artikel