- Im vergangenen Jahr haben Privatpersonen und Medienschaffende 1385 Gesuche um Einsicht in Behördenakten gestellt – 16 Prozent mehr als im Vorjahr.
- In vielen Fällen haben die Antragsstellenden die verlangten Dokumente trotz Öffentlichkeitsgesetz nicht sofort erhalten.
- Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte fordert mehr Transparenz.
Der Informationsbedarf hat während der Pandemie zugenommen – gleichzeitig geben die Behörden die Dokumente immer weniger oft vollständig frei. Diese Feststellung macht Adrian Lobsiger, der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (Edöb). Im neuesten Tätigkeitsbericht, der die Zeitspanne vom 1. April 2021 bis 31. März 2022 abdeckt, stellt der Beauftragte «neue Erschwernisse in der Umsetzung des Öffentlichkeitsprinzips» fest. «Immer mehr Firmen und Bundesämter kommen mit Anwälten, die gar nicht an einer Einigung um Herausgabe von Akten interessiert sind.»
In Teilen der Verwaltung mache sich die Tendenz bemerkbar, «das informelle Schlichtungsverfahren durch formalistische Einreden zu verkomplizieren». Der Datenschutzbeauftragte appelliert an die zuständigen Stellen, das Öffentlichkeitsprinzip zu respektieren. «Sonst haben wir ein Problem.»
Datenschützer fordert mehr Stellen
In den letzten Jahren wurden laut Lobsiger immer mehr Bereiche vom Öffentlichkeitsgesetz ausgenommen. «Überall dort, wo es um viel Geld geht, ist die Verlockung der Politik gross, Ausnahmen vom Öffentlichkeitsprinzip zu machen.» Genau in diesen Bereichen sei aber auch das öffentliche Interesse nach Transparenz am grössten.
Überall dort, wo es um viel Geld geht, ist die Verlockung der Politik gross, Ausnahmen vom Öffentlichkeitsprinzip zu machen.
Zurzeit hat der Datenschutzbeauftragte 4.4 Stellen im Bereich Öffentlichkeitsprinzip. Das sei zu wenig, sagt Lobsiger. «Mit dem gegenwärtigen Personalbestand können wir die Gesuche schwer auffangen.» Derzeit arbeiteten teilweise Personen an den Dossiers, die eigentlich für den Bereich Datenschutz zuständig seien.
Missstände bei Registern festgestellt
Im Tätigkeitsbericht stellt der Beauftragte «eine verbreitete Gleichgültigkeit gegenüber dem Schutz von Bürgerdaten und eine wachsende Geringschätzung der Privatsphäre» fest. Lobsiger nannte die Missstände bei der Plattform meineimpfungen.ch als Beispiel. Nachdem der Investigativjournalismus erschreckende technische Lücken aufgedeckt hatte, brachten die aufsichtsrechtlichen Verfahren des Edöb weitere Mängel zutage.
Wie es betreffend Datenschutz gehen könnte, zeigten andere Beispiele. Lobsiger erwähnte etwa die Covid-App und das Covid-Zertifikat als «wichtige Achtungserfolge». Dank der dezentralen und datensparsamen Ausgestaltung dieser Tools habe die Übermittlung von Bürgerdaten an die Bundesverwaltung vermieden werden können.
Bürger soll eigene Daten schützen dürfen
Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte konstatiert zudem mit Besorgnis, dass inzwischen auch Regierungen und Sicherheitsbehörden in Europa einen präventiven Zugang zur Individualkommunikation ihrer Bevölkerung einforderten. Er habe starke Vorbehalte dagegen, «dass unter dem Vorwand von Terrorismus- und Pädophiliebekämpfung auf alles zugegriffen werden soll».
Lobsiger pocht auf das Recht des Bürgers, seine eigenen Daten zu verschlüsseln. Bürgerinnen und Bürger, die sich dem behördlichen Wunsch nach Selbstbelastung widersetzen, indem sie aus welchen Gründen auch immer Verschlüsselungssoftware einsetzen, dürfe der Rechtsstaat nicht vorwerfen, sie missbrauchten ihre Freiheit.