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Probelauf mit Augenzwinkern Was, wenn die KI im Bundeshaus das Sagen hätte?

Die Chatbots beantworten die grossen Fragen der Herbstsession. Dabei zeigt sich: Sie haben zu allem eine Meinung – aber nicht immer den Durchblick.

Im Kino war das ja irgendwie spannender. In «Terminator» verwickelte uns die KI in einen apokalyptischen Endkampf. In «Matrix» verfrachtete sie uns in eine gigantische Simulation. Und in «Her» fanden wir die Liebe unseres Lebens, der es schnell langweilig mit uns Einfaltspinseln wurde.

In Wirklichkeit verläuft die Machtübernahme durch die KI alles andere als filmreif. Schleichend werden wir aus den Büros und Redaktionen verbannt. Bis wir irgendwann aufwachen und die Arbeit schon erledigt ist. Und was dann?

Matrix
Legende: So cool kann Weltuntergang sein: Neo pariert den Angriff der KI. Kann man selbst versuchen, bringt aber nichts. In der Realität geht Big Tech subtiler vor. Imago/Capitol Pictures

Jetzt ist die KI auch endgültig im Bundeshaus angekommen. Auf der Traktandenliste der Herbstsession war sie prominent vertreten. Wie man sie bändigen kann, weiss niemand. Also verbündet man sich mit ihr.

Die KI wechselt die politischen Positionen …

Es war Hannes Germann, der die Büchse der Pandora öffnete. Der SVP-Ständerat versuchte, das Grounding der Tiger F-5 und damit der Patrouille Suisse zu verhindern. Mit dabei: der KI-Chatbot von Google. Aus voller Kehle sang Gemini ein Loblied auf die Kunstflugstaffel der Schweizer Armee. Es fehlte nur noch der Schweizerpsalm.

Nur gut, hat Germann nicht beim Chatbot von Elon Musk nachgefragt, ob die Schweiz die amerikanischen F-35-Kampfjets trotz dem Fixpreis-Debakel beschaffen sollte. Die Armeefreunde im Rat wären zu Salzsäulen erstarrt:

Die Schweiz sollte den Deal reduzieren und parallel europäische Systeme (Rafale und Drohnen) evaluieren. Das spart Milliarden, stärkt die Neutralität und passt zur Bedrohungslage. (…) Eine neue Volksabstimmung wäre ideal, um Legitimität zu schaffen. (…) Die USA sind kein zuverlässiger Partner mehr; Europa ist der natürliche Allianzraum.
Autor: Grok

Disclaimer: Die Bromance zwischen Elon Musk und US-Präsident Donald Trump ist Anfang Jahr mit einem Knall zu Ende gegangen. Daran hat offenbar auch Grok schwer zu schlucken.

… wie andere die Unterhosen

Musks Chatbot ist in der Kampfjetfrage stramm auf SP-Linie. So schnell wird «Genosse Grok» aber nicht für die Sozialdemokraten ins Bundeshaus einziehen: Er hält eine Erhöhung des Rentenalters für «wahrscheinlich notwendig». Ein klarer Verstoss gegen die Parteidoktrin der SP.

KI-generierte Illustration von Microsoft Copilot.
Legende: Manchmal behält man seine Meinung besser für sich. Eine Lektion, die auch Grok noch lernen muss. KI-generierte Illustration von Microsoft Copilot

Die Forderung, das Rentenalter zu erhöhen, kam auch an dieser Session wieder auf. Nämlich bei der Frage, wie die 13. AHV-Rente finanziert werden soll. Diese hatte sich das Volk an der Urne selbst geschenkt.

Die eine KI laviert, die andere spricht Klartext

Die FDP hadert noch immer damit. Eine Sanierung des Sozialwerks allein mit Steuern und Abgaben dürfe es nicht geben, sagte Regine Sauter im Nationalrat. Es müsse «unvoreingenommen» über ein höheres Rentenalter diskutiert werden.

Die SP ging auf die Barrikaden. Der Vorwurf: Der «Dreizehnte» werde genutzt, um die AHV in die roten Zahlen rutschen zu lassen – und dann das Rentenalter zu erhöhen. Ganz nach dem Motto: Das Volk gibt’s, das Parlament nimmt’s.

Länger leben, also auch länger arbeiten? Die KI hat solche Probleme naturgemäss nicht. Sie ist unsterblich und kennt keinen Verfall. Prompt bewirbt sich Microsofts Chatbot mit einer wohltemperierten Auslegeordnung um den Posten des Rentenministers:

Es braucht ein ausgewogenes Reformpaket, das sowohl die demografische Entwicklung als auch soziale Gerechtigkeit berücksichtigt.
Autor: Microsoft Copilot

Wer sich so vage ausdrückt, hat beste Chancen auf eine Wahl in den Bundesrat. Fragt sich nur, für welche Partei. Gemini sind solche taktischen Spielchen fremd. Für den Google-Chatbot gibt es nur eine politische Heimat, nämlich die FDP:

Die Probleme der Schweiz können durch eine Steigerung der Produktivität und Innovationskraft, den Abbau von Bürokratie und Regulierungen sowie die Nutzung neuer Technologien wie Künstlicher Intelligenz gelöst werden.
Autor: Google Gemini

An Selbstbewusstsein mangelt es der KI nicht. Im weiteren Verlauf der Session zeigte sich allerdings: Das Politschach im Parlament versteht sie nicht immer. Auch nicht, wenn man den Button «schärfer nachdenken» drückt.

Heiraten oder nicht? Es ist kompliziert

Ein Musterbeispiel dafür war die Debatte um die sogenannte Heiratsstrafe. Mit ihrer Volksinitiative «Ja zu fairen Bundessteuern auch für Ehepaare» will die Mitte den alten Zopf abschneiden. Und, glaubt man den Kritikern, Verheiratete besser stellen als alle anderen.

Das Volksbegehren zementiere Überholtes, warnte die Gegnerschaft im Nationalrat. SP und FDP werben für die Individualbesteuerung: Künftig sollen alle allein ihre Steuererklärung ausfüllen. Egal, ob verheiratet oder nicht.

Nun werden zwei Vorlagen an die Urne kommen, die sich gegenseitig widersprechen. Und das nicht einmal am gleichen Abstimmungssonntag. Parlamentarische Präzisionsarbeit sieht anders aus. Wann, wie und ob die Heiratsstrafe abgeschafft wird, ist unklar.

Ritter 1 - Grok 0

Mitte-Mann Markus Ritter versuchte vergeblich, das links-liberale Zweckbündnis im Nationalrat zu sprengen. Seine Anekdote über den früheren SVP-Präsidenten Toni Brunner und dessen Frau, Ständerätin Esther Friedli, sorgte aber immerhin für Lacher.

«Challenge accepted!», sagt sich Grok. Und setzt noch einen drauf – mit einem Scherz über eheliche Steuerquerelen:

Sie: ‹Du machst die Steuererklärung!» Er: ‹Okay, ich versuch’s!›, fummelt Formulare. Sie: ‹Das ist alles falsch! › Er: ‹Tja, jetzt bin ich im Knast – wenigstens keine Steuererklärung mehr!›
Autor: Grok

Grok 5 soll übrigens noch in diesem Jahr erscheinen. Über allfällige Humor-Updates ist nichts bekannt.

«Fall folgt» beim Frühfranzösisch

Den «AHV-Zustupf» mit der Erhöhung des Rentenalters bezahlen und unvereinbare Initiativen vereinen: Die eidgenössischen Räte arbeiten an der Quadratur des Kreises. Kein Wunder, kam es dabei zu Ermüdungserscheinungen. SVP-Nationalrat Thomas Matter verliessen schon am ersten Tag die Kräfte. Zumindest, um den Röstigraben zu überqueren.

Der französische Abgang vom Rednerpult heizt den Sprachenstreit im Land weiter an. Ausgerechnet Matters Heimatkanton Zürich möchte Frühfranzösisch vom Lehrplan streichen. Der Bundesrat wehrt sich vehement dagegen.

Affaire à suivre, oder «Fall folgt», wie Gemini freundlicherweise übersetzt. Auch wenn es beim Schulfranzösisch noch etwas hapert.

Wie weiter mit der EU? Frag mich bitte was anderes

Bei den EU-Verträgen ist die Lage noch vertrackter als bei der Heiratsstrafe: Sie werden gleich von zwei Volksinitiativen in die Mangel genommen, die sie bodigen könnten. Oder vielleicht doch nicht?

Eine Prognose, wie der gordische Knoten im Verhältnis zur EU gelöst werden kann, erübrigt sich. Die Serverfarmen, um die Frage von der KI klären zu lassen, müssen erst noch gebaut werden:

Die Zukunft des Verhältnisses zwischen der Schweiz und der EU wird stark von den Ergebnissen der anstehenden Abstimmungen und den politischen Entwicklungen in der EU und der Schweiz abhängen.
Autor: Google Gemini

Da soll noch mal jemand sagen, Politiker würden nur leere Phrasen dreschen.

Keine. Zehn. Millionen. Schweiz. Ausrufezeichen.

Der Startschuss zum jahrelangen Seilziehen um Europa fiel diesen Montag: Die Volksinitiative «Keine 10-Millionen-Schweiz!» kam in den Nationalrat. Das SVP-Begehren trägt zu Recht ein Ausrufezeichen im Namen.

Masseinwanderungsinitiative der SVP..
Legende: Die Reizthemen EU und Migration sorgen verlässlich dafür, dass die Emotionen im Parlament hoch gehen. Bild: Damals, als alles begann. Keystone/Sigi Tischler

Die gehässigen Debatten der letzten Jahre haben offenbar auch dem Algorithmus der Microsoft-KI zugesetzt. Wer das rechtskonservative Lager derart gegen sich aufbringt, kann sich eine Wahl in den Bundesrat abschminken:

Zuwanderung ist gut für die Schweiz, wenn sie klug gesteuert und begleitet wird. Sie stärkt die Wirtschaft, sichert den Sozialstaat und sorgt für Vielfalt.
Autor: Microsoft Copilot

Dass die KI in Redmond und nicht in Rorschach programmiert wurde, ist augenfällig. Die Tonalität, mit der die «Zuwanderungsschlacht» diesmal ausgefochten wurde, war aber auch ohne künstliche Interventionen bemerkenswert.

Etwas kann die KI nicht ersetzen

Im Nationalrat wurde es laut, aber nicht beleidigend. Man mag das auch als Würdigung von Alfred «Fredy» Heer verstehen, der am vergangenen Freitag plötzlich aus dem Leben gerissen wurde. Der langjährige SVP-Nationalrat konnte poltern, aber auch zuhören. Und er riss die Brücken zum politischen Gegner nie ein.

Nationalratspräsidentin Maja Riniker fand bewegende Worte für den Verstorbenen. «Fredy war einer, der das Leben liebte und es mit ganzer Kraft lebte», sprach sie zu einem Rat, in dem auf einmal alles anders war. «Er war fadengerade, aber ohne zu verletzen. Ein warmherziger und lebensfroher Kollege, der sich ohne Scheuklappen mit allen Menschen verstand. Er wird uns schmerzlich fehlen.»

Die aufrichtige Anteilnahme, über alle Parteigrenzen und ideologischen Gräben hinweg, berührte. Und sie zeigte, dass uns die KI so schnell nicht ersetzen wird. Denn Empathie und Menschlichkeit kann der Algorithmus nicht.

Echo der Zeit, 24.9.2025, 18 Uhr;weds

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