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Widerstand gegen Massnahmen Skeptiker liegen oft falsch, ein Verbrechen ist das nicht

Das ging ab wie die Post: Kaum hatte SRF News ein Porträt über eine Massnahmen-Skeptikerin veröffentlicht, hat es auf Twitter Beschimpfungen gehagelt. Verwirrte, dumme Trulla, kognitiv minderbemittelt, auch Nazis wurden bemüht, und das A-Wort geschrieben.

Die von SRF porträtierte Massnahmen-Skeptikerin mag mit ihrer Skepsis falsch liegen, ein Verbrechen ist das nicht. Es ist auch keines, offen zu sagen, dass man Masken ablehne und am liebsten nicht trage. Oder dass einem die rasche Entwicklung und Zulassung der Covid-19-Impfung skeptisch stimme (weshalb Swissmedic diesen Bedenken mit einem ordentlichen Bewilligungsverfahren Rechnung trug).

Sollten wir das nicht aushalten?

Was viele Massnahmen-Skeptikerinnen und Skeptiker nicht tun: Sie sagen nicht, es gebe das Virus nicht oder dass dieses gänzlich ungefährlich sei. Aber viele von ihnen unterschätzen wohl die Gefährlichkeit – ein Grund, sie zu beschimpfen? Sollten wir das nicht einfach aushalten, die andere Sicht auf die Welt?

Sollten wir darin nicht sogar besonders geübt sein, dank unseren wiederkehrenden, offenen Debatten vor Abstimmungen? Am 13. Juni stimmen wir über das Covid-19-Gesetz ab. Wollen wir eine sinnstiftende, aufklärende Debatte oder ein Schimpfgewitter?

Spannweite ist gross

Massnahmen-Skeptiker sind – entgegen dem Eindruck aus Liestal oder St. Gallen – eine Minderheit. Nicht impfen lassen wollen sich mittlerweile nur noch 20 Prozent gemäss einer Sotomo-Umfrage im Auftrag der SRG. Es braucht also ein wenig Mut, öffentlich hinzustehen und seine eigene Wahrheit – mag sie auch unwahr sein – kundzutun. Beschimpfungen sind eine irritierend traurige Art, darauf zu reagieren.

Man kann diskutieren, man kann eine Diskussion auch abbrechen, wenn sie zu nichts führt. Alle Skeptiker und Skeptikerinnen aber zack-zack in eine Ecke mit kruden Verschwörungstheoretikern oder gar Nazis zu stellen, führt nirgends hin. Zumal vom Hinterfragen einzelner Massnahmen (Terrassenstreit) bis zur Behauptung, Bill Gates habe einen Plan, die Spannweite so gross ist wie vom Feierabend-Cüpli zum schwerkranken Alkoholiker.

Der Ball liegt bei den Befürwortern

Nun werden wir – dank Massnahmen-Skeptikern – über das Covid-19-Gesetz abstimmen. Nun dürfen wir entscheiden, ob wir keine weiteren Unterstützungen an Sportclubs, an Kulturschaffende und die Härtefallhilfen mehr gewähren wollen, was bei Annahme geschähe. Nun müssen wir auch darüber diskutieren, welche Freiheiten uns das Impfen zurückgeben soll – was das Gesetz übrigens nur und ausschliesslich bezüglich Quarantäne regelt.

Informationen zur Abstimmung über das Covid-19-Gesetz

Es liegt nun an den Befürworterinnen und Befürwortern, ihre Argumente einzubringen und eine Mehrheit zu gewinnen. Machbar ist das: Noch im März standen 58 Prozent der Befragten laut Sotomo-Umfrage hinter den Massnahmen oder wünschten sich strengere. Skeptiker und Skeptikerinnen müssen also weder «umgedreht» noch beschimpft werden.

Michael Perricone

Chef vom Dienst, SRF Newsroom

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Michael Perricone ist Chef vom Dienst in SRF Newsroom und gibt am Medienausbildungszentrum MAZ einen Kurs für Journalistinnen und Journalisten zum Umgang mit PR. Er hat 2011 als Leiter Ressort Politik bei der «Blick»-Gruppe gearbeitet.

SRF 4 News, 15.4.2021, 11:00 Uhr

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