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Wolfs-Debatte im Parlament Sollen ältere Wölfe gezielt geschossen werden?

Eine Initiative im Nationalrat fordert, dass ältere Rudeltiere gezielt geschossen werden können. Doch auch dieser Vorschlag ist umstritten.

Den Wölfen fehle die Scheu vor dem Menschen, sagen Kritiker. Das zeige der Vorfall am Piz Beverin vor einem Monat, als sich mehrere Wölfe einer Wandergruppe genähert hatten. Jetzt gibt es einen neuen Vorschlag: Die ältere Rudeltiere sollen gezielt geschossen werden, um sicherzustellen, dass die Tiere scheu bleiben. Gleichzeitig soll so der Wolf in der Schweiz weiterhin akzeptiert werden.

Wenn wir das Zusammenleben mit dem Wolf zum Erfolg führen wollen, muss der Wolf scheu bleiben
Autor: Nicolo Paganini Mitte-Nationalrat

Wölfe, die sich Menschen nähern, das gehe nicht – unabhängig davon, wo man in der Wolfsdebatte stehe, findet Mitte-Nationalrat Nicolo Paganini. «Wenn wir das Zusammenleben mit dem Wolf zum Erfolg führen wollen, muss der Wolf scheu bleiben», sagt er. «Sonst wird seine Akzeptanz weggehen. Und das wird grosse Probleme geben.»

Das sagt der Alpwirtschaftliche Verband dazu:

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Eine gerissene Ziege.
Legende: Eine gerissene Ziege srf/sav

Andrea Koch, Geschäftsführerin des Schweizischen Alpwirtschaftlichen Verbands (SAV) fordert, dass das Jagdgesetz rasch revidiert wird, damit der Wolf schneller, aber kontrolliert reguliert werden kann. Folgende Punkte müssten berücksichtigt werden:

  • Der Arbeitsaufwand für den Herdenschutz wird aus wirtschaftlicher Sicht zu gross, die Bewirtschaftung lohnt sich nicht mehr.
  • Die psychische Belastung der Älpler ist zu hoch, wenn sie die Ihnen anvertrauten
    Tiere unter der ständigen Beobachtung und Bedrohung der Wölfe wissen. Niemand
    will diese Verantwortung übernehmen, Alppersonal springt regelmässig ab.
  • Die Tierbesitzer verzichten auf eine Alpung, weil sie Angst vor Verlusten haben
    .

Daher fordert Paganini in einer parlamentarischen Initiative, dass auch ältere Tiere in Rudeln zum Abschuss freigegeben werden können. Aktuell ist das nicht oder nur äusserst eingeschränkt möglich. Nur so könne langfristig die Scheu der Tiere sichergestellt werden. Denn ältere Tiere würden den jüngeren Tieren die fehlende Scheu beibringen.

Ein Kompromiss oder nicht?

Der Vorschlag findet Unterstützung bei den Kantonen. «Die Konferenz für Wald, Wildtiere und Landschaft unterstützt diese parlamentarische Initiative, weil sie eigentlich einen Kompromissvorschlag im Ringen um das Jagdgesetz darstellt», erklärt der Generalsekretär der Organisation, Thomas Abt.

Ein Kompromiss, weil der Abschuss von älteren Tieren erlaube, genau da anzusetzen, wo das Problem entstehe: beim problematischen Verhalten einzelner Tiere. Eine äusserst gezielte Regulierung.

Das Konzept, Wölfe zu töten, damit sie toleriert werden, funkioniert nicht.
Autor: David Gerke Präsident Gruppe Wolf Schweiz

Die Wolfs-Befürworter aber sehen in dem Vorschlag kaum einen Kompromiss. Es sei nicht bewiesen, dass so das Verhalten von Wolfsrudel wirklich verändert werden könne, findet David Gerke, Präsident der Gruppe Wolf Schweiz. Der Vorschlag, ältere Rudeltiere zu regulieren, wirke daher auf ihn mehr wie ein Signal an die Öffentlichkeit. «Das Konzept, Wölfe zu töten, damit sie toleriert werden, ist etwas, das Politiker und Behörden seit Jahren verlangen», erklärt Gerke. «Das Problem ist aber, dass es in Ländern, wo das umgesetzt wird, de facto nicht funktioniert.»

Auch der neueste Vorschlag rund um den Wolf ist also umstritten. Es wird sich zeigen, ob er im Parlament eine Mehrheit findet.

SRF 4 News, Heute Morgen, 04.10.2021, 06:00 Uhr

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