Für Aktienmärkte gilt eigentlich das Credo: Unsicherheit ist Gift. Präsident Trump streut derzeit mehr Unsicherheit denn je. Müsste da die Börse nicht regelrecht crashen?
Nein, sagt Christoph Sax, Anlagechef beim VZ Vermögenszentrum. «Die ganze Diskussion um die Zölle bezieht sich auf den internationalen Warenhandel. Unsere westlichen Volkswirtschaften sind alle stark dienstleistungsorientiert», sagt er. Dienstleistungsunternehmen, also beispielsweise Banken und Versicherungen, sind nicht betroffen.
Weniger als 10 Prozent der Exporte sind von Zöllen betroffen
Das sagt auch Matthias Weber, Finanzmarktexperte an der Universität St. Gallen. Zudem seien auch nicht alle Export-Branchen von Zöllen betroffen. Die Pharmaindustrie ist ausgenommen. «Das heisst, insgesamt haben wir deutlich weniger als 10 Prozent der Exporte, die betroffen sind, und insofern ist es angebracht, dass nicht alle total in Panik verfallen», erklärt er.
Es ist durchaus möglich, dass die Konsequenzen der Zölle in den USA erst in der Zukunft richtig gespürt werden.
Überraschender hingegen empfindet er das Verhalten der Investoren an den amerikanischen Börsenmärkten. Sie scheinen geradezu euphorisch. Die Kurse steigen – obwohl die hohen Zölle bei US-Firmen zu höheren Einkaufskosten führen. Die Gewinne könnten also künftig sinken, was den Aktionären eigentlich sauer aufstossen müsste. «Es ist durchaus möglich, dass die Konsequenzen der Zölle erst in der Zukunft richtig gespürt werden und dass es dann in den USA zu Kurskorrekturen kommt», so Weber.
Trumps Beruhigungspillen wirken
Als Grund für den derzeit robusten US-Aktienmarkt nennt VZ-Anlagechef Christoph Sax auch, dass Donald Trump in den letzten Monaten etwas berechenbarer geworden sei. Als es im April auf den Anleihen-Märkten richtig rumorte, hat Trump Beruhigungspillen geschickt, in Form einer Zollpause und entsprechender Rhetorik seines Finanzministers.
Auf Anleihen-Märkten werden Schuldpapiere gehandelt von Firmen, Staaten und Institutionen. Sie sind im breiten Publikum zwar weniger bekannt als Aktienmärkte, aber sie sind viel grösser und relevanter. Trennen sich Anleger im grossen Stil von Staatsanleihen, ist es kein gutes Zeichen, denn es bedeutet, dass sie dem Staat als Schuldner misstrauen. «Die Frage stand im Raum, wie zuverlässig die USA noch sind als Schuldner», erläutert Sax. «Das hat die Finanzmärkte stark verunsichert. Aber gerade in diesem Bereich hat Donald Trump reagiert und den Investoren signalisiert, dass die USA nach wie vor ein verlässlicher Schuldner sind», erläutert er.
Auch in einer Phase mit kurzfristigen Turbulenzen heisst es, kühlen Kopf bewahren und langfristig investiert bleiben.
Nun sei das Vertrauen zurückgekehrt. Wie lange es anhält? Es kann, wie immer an der Börse, über Nacht, alles anders werden. Klar ist: Starke Inflationsschübe und höhere Inflationsraten kann sich Trump politisch nicht leisten. Die neu veröffentlichten Produzentenpreise sind aber bereits stark am Steigen. Wie sich die Kurse längerfristig entwickeln? Ungewiss. Klar ist: «Der mediale Lärm wird uns erhalten bleiben», sagt er. An die neue Tonalität haben sich Anlegerinnen offenbar bereits gewöhnt.
Nicht das Dümmste. «Emotionen sind generell schlechte Ratgeber, auch in einer Phase mit kurzfristigen Turbulenzen heisst es, kühlen Kopf bewahren und langfristig investiert bleiben», rät Sax. Und auch Weber rät: «Dem Aktienmarkt aus Angst vor Unsicherheit komplett fernzubleiben und gar nicht zu investieren, ist aus finanzwirtschaftlicher Sicht nicht sinnvoll.»