Am Montag nimmt die Schweizer Börse den Handel wieder auf. Es ist mit Kursverlusten zu rechnen. Grund sind Trumps umfangreiche Zoll-Ankündigungen. Anlageexperte Matthias Geissbühler von der Raiffeisen Bank ordnet ein.
SRF: Sämtliche Börsenexpertinnen und -experten erwarten deutliche Kursverluste. Ihre Einschätzung: Wie schlimm wird es?
Matthias Geissbühler: Auch ich gehe davon aus, dass die Schweizer Börse deutlich im negativen Bereich eröffnen wird. Einen Crash erwarte ich allerdings nicht. Man darf nicht vergessen: Der Schweizer Aktienmarkt repräsentiert nicht eins zu eins die Schweizer Wirtschaft. Betroffen von den Zöllen sind vor allem KMU. An der Schweizer Börse sind primär global agierende Konzerne und auch viele Dienstleister kotiert. Sie sind nur teilweise direkt von diesen Zöllen betroffen.
Am Freitag, am Tag der Hiobsbotschaft aus dem Weissen Haus, war die Schweizer Börse wegen des Nationalfeiertags geschlossen. Was ist seither mit Schweizer Aktien passiert?
Bei Schweizer Aktien, die auch an ausländischen Börsen gehandelt werden, haben wir am Freitag deutliche Abgaben gesehen. Die UBS-Aktie verlor rund zwei Prozent, der Richemont-Titel deutlich mehr. Auch die Futures in Asien lagen deutlich im Minus. Es wird nun die Spreu vom Weizen getrennt. Die Anleger schauen genau hin, welche Firmen von den Zöllen betroffen sind.
Ganz konkret: Welche Aktien dürften am stärksten unter Druck geraten?
Im Fokus steht die Uhrenindustrie. Ich gehe davon aus, dass Swatch und Richemont deutlich korrigieren werden. Auch gewisse Industriefirmen aus der zweiten Reihe. Weniger tangiert sehe ich Dienstleister wie Banken und Telekommunikationskonzerne sowie Firmen, die eine starke Produktionsbasis in den USA haben.
Was passiert mit Nestlé? Der Nahrungsmittelkonzern produziert bekanntlich viele Güter für den US-Markt in den USA selbst.
Die Nestlé-Aktie befindet sich bereits auf einem Mehrjahrestief. Aktuell sehe ich das Risiko vor allem bei Nespresso-Kapseln, die primär in der Schweiz hergestellt werden. Dort kommt der Zoll voll zum Tragen. Viele andere Produkte werden aber in den USA produziert.
Über der Pharma-Branche hängt das Damoklesschwert.
Der Zollsatz für die Schweizer Pharma-Firmen steht noch nicht fest. Aber Donald Trump hat Novartis und Co. aufgefordert, innert 60 Tagen die Medikamentenpreise zu senken oder entsprechende Zugeständnisse zu machen. Wie dürfte sich das auf die Titel Novartis und Roche auswirken?
Andere europäische und amerikanische Pharmakonzerne haben ebenfalls einen Brief von Donald Trump bekommen. Ihre Aktien mussten am Freitag deutliche Kursverluste hinnehmen. Darum dürften die Schweizer Pharma-Titel am Montag sicher auch belastet werden. Die Frage ist auch, wie es weitergeht mit den Zöllen. Die Pharma ist noch nicht aus dem Schneider. Über der Branche hängt das Damoklesschwert.
«Big Pharma» steckt im Dilemma. Sie könnte mit Zugeständnissen für Entspannung zwischen der Schweiz und Trump sorgen, ist gleichzeitig aber Aktionären gegenüber verpflichtet, die versprochenen Gewinne zu erzielen. Was wird sie tun?
Ich denke, das Management von Novartis und Roche wird auf die eigene Entwicklung des Unternehmens und den Aktienkurs achten. Das Gesamtinteresse der Schweiz steht wohl weniger im Fokus.
Aktien gewisser Konzerne werden also verkauft. Wohin fliesst das Anlage-Geld?
Die Anlegerinnen und Anleger werden wahrscheinlich abwarten, ob dieser Zoll von 39 Prozent tatsächlich kommt. Was ich auch beobachte: Die Nachfrage nach Gold steigt. Das ist typisch in unsicheren Zeiten.
Das Gespräch führte Andi Lüscher.