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Chinesische Marktmacht EU-Handelskammer in China schlägt Alarm

Wenn sich die chinesische Wirtschaft vermehrt vom Weltmarkt abkoppelt, hat das grosse Auswirkungen auf europäische Firmen. Der Mangel bei den Halbleitern hat dies schon aufgezeigt.

Die Handelskammer der Europäischen Union in China warnt in einem Bericht: Die europäischen Unternehmen würden zunehmend zwischen die Fronten geraten. Zwar begannen die Konfrontationen unter US-Präsident Donald Trump. Doch auch unter Joe Biden dürfte dieser Trend weitergehen.

Die Auswirkungen auf die europäischen Firmen seien dabei unterschätzt worden, sagt Jörg Wuttke, Präsident der EU-Handelskammer in China. So bekam etwa die Automobilindustrie die drohende Entkopplung bereits zu spüren, als es plötzlich zu Engpässen bei der Halbleiterlieferung kam.

Halbleiter-Engpass in Autoindustrie

«Wir haben Halbleiter in jedem Auto drin. Jedes gute europäische Auto hat 140 kleine Computer bestückt mit Halbleitern, vor allem aus amerikanischer oder taiwanesischer Produktion», sagt Wuttke. «Da gab es letzten Monat Verwerfungen, als sich Huawei weltweit mit Halbleitern eingedeckt hat und damit den Markt leergefegt hat.» Die Zulieferer der europäischen Fahrzeughersteller bekamen auf einmal keine Komponenten mehr.

Die Lieferkette sei stark beeinträchtigt worden, sagt Wuttke. «Das ist momentan noch eine Kapazität-Problematik, sprich, man kann nicht genug Halbleiter herstellen. Aber die Ursache dessen liegt darin, dass ein chinesisches Megaunternehmen auf den Markt gegangen ist, weil die Chinesen erwarten, dass die Amerikaner sie von den Halbleitern abstellen.»

Internetfirmen nur noch «im Gepäckraum»

Dies könnte ein Vorbote sein, wie künftig ganze Industrien von dieser Entkopplung in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. Dazu kommt, dass China seinerseits versucht, technologisch unabhängiger vom Ausland zu werden, mit Auswirkungen auch auf europäische Firmen, sagt Jacob Gunter, Politik- und Kommunikationschef der Handelskammer.

Zwar sei China nach wie vor an Handel und Investitionen interessiert, aber nicht in allen Bereichen. Gunter zieht den Vergleich mit den Klassen in einem Flugzeug. «In der Business-Klasse sitzen die Firmen, deren Investitionen sehr willkommen sind, zum Beispiel die Chemiebranche oder die Maschinenindustrie. Denen wird der rote Teppich ausgerollt.»

Ausländische Autohersteller und Konsumgüterhersteller sässen in der Economy-Klasse, denn sie seien nach wie vor wichtig. «Doch ausländische Internetfirmen sitzen im Gepäckraum und können froh sein, wenn sie nicht während des Fluges abgeworfen werden.»

Investitionsabkommen bringt nicht viel

Auch das neue Investitionsabkommen zwischen der EU und China dürfte an dem Trend wenig ändern. «Das Abkommen hat nur ganz kleine Auswirkungen, es ist ein besserer Marktzugang für europäische Firmen in China», sagt Wuttke, und zieht einen Vergleich: Eine Entkopplung ist eine Amputation und das Investment-Agreement ist ein Pflaster.

Dazu kommt, dass das Investitionsabkommen in Europa durchaus umstritten ist. Die Kritik an Chinas Menschenrechtslage hat zugenommen, insbesondere an Chinas Umgang mit Minderheiten oder Chinas Vorgehen in Hongkong. Und diese politischen Spannungen bekommen nicht zuletzt auch die europäischen Unternehmen zu spüren.

Echo der Zeit, 18.01.2021, 18:00 Uhr

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