Die Menschen im Land konsumieren mehr und mehr Medikamente. Das beobachtet Martine Ruggli, Präsidentin des Apothekenverbands Pharmasuisse. Man sei es gewohnt, zu behandeln, wenn etwas ist, sagt sie im «Eco Talk». «Also konsumiert man mehr Leistungen und mehr Medikamente.»
Im Schnitt werden diese Medikamente in der Schweiz auch immer teurer. 3.2 Prozent pro Jahr, wie eine international angelegte Studie zeigt, an der die ETH Zürich beteiligt war. Damit steigen die Medikamentenpreise nach Angaben des Bundesamtes für Gesundheit stärker als die Ausgaben für die übrigen medizinischen Leistungen.
Das hat Folgen für die Prämienzahler – nicht zuletzt in Form steigender Krankenkassenprämien. Die Ausgaben für Medikamente sind der zweitgrösste Kostenblock in der obligatorischen Krankenpflege-Versicherung. Insgesamt werden dort 42.2 Milliarden Franken jährlich ausgegeben, mehr als 9 Milliarden davon für Medikamente.
Geht es nach den Herstellern, steigen die Preise weiter. Der aktuelle Preissetzungs-Mechanismus des Bundesamts für Gesundheit (BAG) funktioniere bei neuen innovativen Medikamenten nicht, kritisiert Ernst Niemack, Geschäftsführer der Vereinigung Pharmafirmen in der Schweiz (Vips).
Niemack fordert ein neues System, bei dem das BAG nicht nur den medizinischen, sondern auch den volkswirtschaftlichen Nutzen berücksichtigt. Letztlich gehe es darum, «dass wir neue innovative Medikamente überhaupt noch in der Schweiz erhalten». Sprich: dass die Hersteller die Medikamente zu genügend hohen Preisen absetzen können.
Der Vergleich mit dem Ausland hat Tücken
Letztlich dürfte eine solche Umstellung die Preise weiter nach oben treiben – genau das hat Novartis-Chef Vas Narasimhan vergangene Woche in der NZZ gefordert: In der Schweiz seien die Medikamentenpreise viel zu tief. Und zwar nicht nur im Vergleich mit den USA, sondern auch mit anderen OECD-Ländern.
Allerdings sei es schwierig, diesen Vergleich im Detail zu überprüfen, sagt Kerstin Noëlle Vokinger, Professorin für Recht und Medizin an der ETH und der Universität Zürich, «weil zahlreiche Länder Geheimrabatte eingeführt haben». In Verhandlungen zwischen Behörden und Pharmafirmen wird nach aussen oft ein offizieller Listenpreis bekannt, nicht aber der effektive Preis nach Abzug eines Rabatts.
Preisüberwacher findet die Preise in der Schweiz zu hoch
Das heutige Preissystem führt nach Ansicht von Vips-Geschäftsführer Niemack dazu, dass immer weniger Medikamente auf den Schweizer Markt kommen. Nur 47 Prozent der von europäischen Behörden zugelassenen innovativen Produkten seien in der Schweiz voll verfügbar.
Betroffen seien etwa junge Biotech-Firmen, die ihren Hauptsitz in der Schweiz haben. «Wenn sie ihre Produkte nicht einmal im Heimmarkt auf den Markt bringen können, dann sinkt die Attraktivität des Standorts Schweiz, dann gehen sie in andere Länder.»
Das BAG vertritt derweil die Auffassung, dass der Zugang zu innovativen Medikamenten in der Schweiz gut sei. Und der Preisüberwacher widerspricht der Aussage, die Medikamentenpreise in der Schweiz seien zu tief. Er hatte vor gut einem Jahr in einem Vergleich mit dem Ausland festgestellt, dass die Schweizer Preise deutlich überhöht seien – und Gegenmassnahmen vorgeschlagen.