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Zollstreit mit den USA Zurück an den Start – nun soll es «Team Switzerland» richten

Bundesräte und Wirtschaftsführer haben sich bei den Verhandlungen mit den USA besprochen. Wie unkonventionell ist das?

Sie «kämpfen» laut Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter «auf der gleichen Seite» gegen die 39-Prozent-Zölle, die die USA der Schweiz auferlegt haben: Spitzenvertreter der Schweizer Wirtschaft haben sich vor dem Gespräch mit US-Aussenminister Marco Rubio mit Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin in Washington beraten.

Das Engagement dieser Wirtschaftskreise sei «bemerkenswert und hilfreich», so Keller-Sutter später. Und: «Wir haben hier wirklich geschlossene Reihen.»

Parmelin sprach an der Medienkonferenz vom Donnerstag denn auch vom «Team Switzerland».

Den Beizug dieser Kreise erklärte Keller-Sutter so: «Sie haben andere Zugänge als wir sie haben und wir sind sehr dankbar für diesen Schulterschluss, auch mit der Wirtschaft.»

Diese Wirtschaftsführer sind das «Team Switzerland»

Mindestens ein Teil des «Teams» soll allerdings auch konkrete Angebote in der Tasche haben. Mit solchen Investitions-Ankündigungen will der Bundesrat versuchen, das von Donald Trump kritisierte Handelsbilanz-Defizit zu kompensieren.

Das sagt das Seco zum Begriff

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Auf Anfrage von SRF News hält das Seco fest, dass die Bezeichnung «Team Switzerland» nicht auf einen bestimmten Personenkreis bezogen sei, sondern zum Ausdruck bringen soll, «dass Staat und Wirtschaft zusammen in einem Boot sitzen und gemeinsam eine Lösung suchen». Dies habe die Schweiz schon immer ausgezeichnet und komme hier einmal mehr zum Tragen.

Unkonventionell und kreativ

«Das ist eine unkonventionelle, aber kreative Idee», sagt Reto Föllmi, Professor für internationale Ökonomie an der Hochschule St. Gallen HSG. Und Verhandlungsexperte Matthias Schranner fügt an: «Üblich ist es nicht – aber es war eine der wenigen Möglichkeiten, das Spiel neu aufzusetzen.» Denn das sieht er als einzige Möglichkeit, damit die Schweiz ihr Gesicht wahren könne: «Alles auf null setzen, neue Verhandlungen.»

Reto Föllmi

Professor für internationale Ökonomie

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Reto Föllmi ist Professor für Internationale Ökonomie an der Universität St. Gallen. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen Wirtschaftswachstum, Aussenhandel und Regulierung von Finanzmärkten.

Für kreativ hält Föllmi vor allem, dass diese Wirtschaftsführer direkt mit der US-Seite in Kontakt treten könnten. «Es ist sinnvoll, dass man verschiedene Türöffner hat», dass man den Zugang diversifiziere. «Trump denkt unternehmerisch, schätzt den unternehmerischen Ansatz – da kann man ihn sicher abholen.»

Matthias Schranner

Verhandlungsexperte

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Matthias Schranner ist ein deutscher Verwaltungsjurist, Verhandlungsexperte und -coach. Zurzeit ist er Vorstandsvorsitzender des Negotiation Institutes AG in Zürich sowie Dozent an der Universität St. Gallen.

Schranner weist zudem darauf hin, dass Trump seinen eigenen Behörden und Diplomaten allgemein misstraue und zum Beispiel mit Steve Witkoff einen Wirtschaftsvertreter als Sondergesandten in Verhandlungen schicke.

Im Namen der Schweiz – oder der eigenen Interessen?

Doch wie sehr dient das Engagement des «Team Switzerland» tatsächlich dem Wohl des gesamten Landes? Stehen hier nicht eher Partikularinteressen im Vordergrund?

Nur die Swiss nimmt Stellung

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Swiss nennt als einziges der Unternehmen Details zur Reise in die USA. Michael Stief, Mediensprecher von Swiss, sagt gegenüber SRF: «Seitens Swiss ging es in diesen Gesprächen vor allem um Rahmenbedingungen für Flugzeugimporte und mögliche Optionen, um diese zu besprechen. Also nichts Konkretes. Die Gespräche wurden geführt für die Lufthansa-Group, für Swiss, aber natürlich auch für US-Unternehmen und für US-Behörden.»

«Klar, diese Wirtschaftsführer vertreten in erster Linie die Interessen ihrer Firmen. Aber das weiss man», sagt Föllmi. Und weil hier Transparenz herrsche, lasse sich die Landesregierung auch nicht wirklich vor den Karren der Unternehmen spannen.

Dass es Eigeninteressen gebe, das ist auch für Schraner nicht so schlimm. «Schlimmer ist die Unsicherheit für die Unternehmen.» Diese treffe letztlich die gesamte Schweiz. Schraner betont allerdings, dass die Politik die Vorgaben und Leitplanken für die Gespräche geben müsse, ein Verhandlungsmandat.

Zu diesem Punkt hat sich Bundespräsidentin Keller-Sutter denn an der Medienkonferenz vom Donnerstag auch deutlich geäussert: «Die Verhandlungen mit der US-Seite liegen beim Bundesrat, das Seco ist an der Arbeit.»

Gesprächskanal offen halten

Entscheidend für die Schweiz sei nun, dass man den Gesprächskanal offen halte, denn es sei nicht zu erwarten, dass es so schnell eine Einigung im Zollstreit zwischen der Schweiz und den USA gebe, ist Föllmi überzeugt.

Wie lange das Engagement dauert und in welchem Rahmen, darüber haben auf Anfrage von SRF News weder das Wirtschaftsdepartement noch das Finanzdepartement konkret Auskunft geben.

Einschätzung des SRF-Bundeshauskorrespondenten

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Es ist offensichtlich: US-Präsident Donald Trump will grössere Zugeständnisse von der Schweiz, mehr Gegengeschäfte – wo liegt da die Schmerzgrenze für den Bundesrat? Diese ist laut SRF-Bundeshaus-Korrespondent Andy Müller dann erreicht, wenn die Landesregierung etwas versprechen müsste, was sie nicht einhalten kann. «Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter sagte am Donnerstag deutlich: Das macht die Schweiz nicht.» Deshalb werde der Bundesrat seine Investitionsversprechen nicht beliebig steigern können. «Schon die ursprünglich genannten 150 Milliarden waren viel. Das sind alles geplante Investitionen privater Unternehmen in den USA.» Gemessen an der Grösse des Landes habe die Schweiz schon im ersten Angebot mehr Investitionsversprechen gemacht als die EU.

«Eine Verdoppelung dieser Versprechen sei unmöglich, sagten heute Wirtschaftsvertreter hinter vorgehaltener Hand», so Müller.  

«Die Schmerzgrenze ist auch bei den Agrarzöllen schnell erreicht: Offenbar offeriert der Bundesrat Importerleichterungen für US-Rindfleisch. Aber generelle Zollsenkungen auf Lebensmittel-Importen aus den USA würden die Bauernvertreter im Parlament vehement bekämpfen.» 

Die einzigen Investitionen, die der Bundesrat ohne privatwirtschaftliche Hilfe versprechen könnte, seien Rüstungsbeschaffungen. «Aber die Landesregierung kann nicht von sich aus mehr Waffen in den USA einkaufen, hier hat das Parlament das letzte Wort.»

Tagesschau, 08.08.2025, 19:30 Uhr; noes

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