«Ich finde jeden Dreh spannend und faszinierend, denn jeder Dreh ist anders», sagt René Schönenberger, Kameramann bei SRF. «Aber ob für einen fiktionalen Stoff oder einen Newsbeitrag – bei jedem Dreh müssen wir Kameraleute die Vision, die es vielleicht nur im Kopf der Regisseurin oder auf dem Papier des Redaktors gibt, umsetzen in laufende Bilder.» So unterschiedlich Produktionen sind, für die Person hinter der Kamera sind sie jeweils eine kreative und technische Herausforderung.
Komplexität bei fiktionalen Stoffen
Für fiktionale Dreharbeiten mit Schauspielerinnen und Schauspielern liest Schönenberger zunächst das Drehbuch. Er macht sich Gedanken, wie er die Szenen umsetzen kann und tauscht seine Ideen mit der Regisseurin oder dem Regisseur aus. «Da habe ich viel Einfluss. Wenn etwas recht kompliziert umzusetzen ist, schlage ich eine Alternative vor.»
Bei einer grösseren Produktion gibt es im Vorfeld viele Besprechungen. Welche Kameras muss er mitnehmen? Wie sieht es mit Ton und Licht aus? Requisiten? Kostüme? Wie viele Beleuchter und Tonleute und Assistenten braucht es? Beim Dreh ist er fürs Bild verantwortlich: Dafür gibt er «dem Licht» Anweisungen, wie er es gerne hätte. Er stimmt sich ständig mit anderen den Kolleginnen und Kollegen am Set ab, und er positioniert die Schauspielerinnen und Protagonisten.
Dreharbeiten sind Teamwork
«Alleine geht auf Dreh gar nichts», so Schönenberger. «Was ich mache, mache ich immer in Absprache mit den anderen Gewerken. Das läuft dann wie eine gute Maschine, bei der Zahnrädli ineinandergreifen, sodass alles funktioniert und sich so alles zu guten Bildern zusammenfügt.» Und jedes gute Bild bestehe zu 50 Prozent aus Licht, und die anderen 50 Prozent seien Bildausschnitt und Location. Apropos: Die Suche eines geeigneten Drehorts gehört ebenfalls zu den Aufgaben des Kameramanns.
Abwechslungsreiches Aufgabenfeld
Bei SRF steht René Schönberger für diverse TV-Formate hinter der Kamera. Vor allem dreht er für Unterhaltungsformate und Dokumentarisches, aber immer wieder auch Nachrichtenbeiträge und Livesendungen. Ein Projekt, das er schon lange begleitet, ist die Doku-Drama-Serie «Es geschah am …» , die historische Ereignisse der Schweiz nachzeichnet. Für die Samstagabendshow «SRF bi de Lüt – Live» macht er viele Einspieler. «Diese Einspieler haben oft fiktionalen Charakter, das geht in Richtung Märchen und Sagen», sagt der 37-Jährige, «und so etwas macht am meisten Spass. Hier gehen wir Szene für Szene vor und arbeiten sehr genau.»
Spontaneität und Flexibilität für Aktuelles
Ganz anders verlaufen die Drehs für Nachrichtenbeiträge oder Livesendungen. «Da haben wir ganz andere Herausforderungen, aber auch diese Kameraarbeit finde ich megaspannend.»
In der Regel kommt Schönenberger etwa eine Stunde vor dem Start ins Studio Zürich Leutschenbach. In der Tiefgarage holt er das Auto und fährt zum Materiallager. Dort packt er die technische Ausstattung wie Kameras, Beleuchtung und Mikrofone ein, meist auch eine Drohne. Ganz wichtig: Er prüft, ob alle Geräte funktionieren, zum Beispiel ob Akkus aufgeladen und Speicherkarten dabei sind.
«Ein solcher Dreh ist ein rollender Prozess», so Schönenberger. «Wir wissen nicht fix, wie es am Schluss aussehen wird. Natürlich überlegen wir uns vor dem Dreh, wie wir vorgehen. Wir fangen an, halten am Plan fest. Doch vielleicht merken wir, das funktioniert nicht, weil es unnatürlich aussieht oder die Zeit knapp wird. Dann probieren wir es anders. Viele Ideen, viele Bilder entstehen also relativ spontan aus der Situation heraus.» Dies gelte besonders für Livesendungen. «Zum Beispiel wenn es plötzlich gewittert oder jemand ins Bild läuft, dann muss ich darauf reagieren. Und live hat man nur eine Chance. Meine Kamerabilder gehen genau so über den Sender.»
Manchmal wird’s aufregend, manchmal auch anstrengend
Die Arbeitstage als Kameramann oder -frau können lang werden. Der Job fordert viel Flexibilität. «Es ist nicht unüblich, dass wir mal 14 Stunden arbeiten», so Schönenberger. Auch am Abend und am Wochenende finden oft Dreharbeiten statt, manchmal sogar über Nacht. Schönenberger gesteht: «Da merke ich schon, Privatleben und Job unter einen Hut zu bringen, ist nicht so einfach.»
Im Frühjahr war er für drei Tage in Chile auf Dreh. Die Crew filmte und flog wieder zurück. «So interessant und aufregend solche Reisen sind, sie bringen mich ein bisschen an meine Grenzen», gesteht Schönenberger. Es gibt Phasen, da ist der Kameramann enorm viel unterwegs. Mal eine Woche Ausland, dann eine Woche Bern. Immer im Hotel. «Manchmal wache ich morgens auf und frage mich, wo ich jetzt bin.»
Für jeden Einsatz die richtige Kamera
Bei Reportagen hat René Schönenberg die Kamera oft auf der Schulter, teilweise stundenlang. «Das kann auch körperlich anstrengend sein.» Grundsätzlich können Kameraleute zum Beispiel auch ein Stativ benutzen oder eine Schiene für Kamerafahrten, eine Drohne oder den Gimbal, mit dem es bei Drehs aus der Hand nicht so wackelt.
«Früher gab es einen Typ Kamera für alle Einsätze: eine grosse Schulterkamera», erzählt er. «Heute haben wir eine Riesenauswahl an Equipment. Es gibt für jeden Einsatz das Passende. Dafür musst du natürlich auch mehr Geräte beherrschen.»
Die Frage ist immer, wie kann man eine Geschichte am besten erzählen? Die Kamera auf die Schulter nehmen, damit man nah rankommt, oder doch alles distanziert und ruhig vom Stativ aus? Auch Zeit ist ein Kriterium. «Wenn es schnell gehen muss, dann machst du es eher von den Schulter aus, bevor du das Stativ aufbaust.»
Oops – da geht auch mal etwas schief
Was bei einem Dreh alles passieren kann! Zum Beispiel dass eine Kamera versehentlich nicht läuft, das Mikrofon versagt oder Bilder unscharf sind. Vor allem live sind Pannen und Missgeschicke sofort erkennbar.
Schönenberger erinnert sich, wie vor ihm mal ein Zelt bei starkem Wind zusammengefallen und durchs Bild geflogen ist. Oder wie bei «Schweiz aktuell» jemand versucht hat, der Moderatorin aus Protest das Mikrofon aus der Hand zu nehmen. «Dann musst du spontan reagieren, da muss dir etwas einfallen. Ich stand hinter der Kamera und habe versucht, die Person wegzuschieben», so Schönenberger. «Gerade solche Situationen sind authentisch, sie zeigen, das ist live. Fehler passieren, ich denke, das ist fürs Publikum auch durchaus amüsant. Und wir operieren ja nicht am offenen Herzen.»
Faszinierender Arbeitsalltag
Fragt man René Schönenberger nach einem Projekthighlight, nennt er die Aufnahmen in Indien im vergangenen Jahr. Er erzählt, wie er auf einem Markt, wo es laut und voll war, irgendwie arbeiten, sich fokussieren und eine Geschichte erzählen musste, die dann auch zu schneiden war. «Das war eine grosse Herausforderung. Aber gleichzeitig irrsinnig schön, weil solche einmaligen Erlebnisse kann dir keiner mehr nehmen», so Schönenberger.
Er schätzt es ungemein, an Orten zu drehen, wo sonst kaum jemand hinkommt. «Ich bin oft backstage, habe einen Blick hinter die Kulissen. Zum Beispiel fahre ich mit Bundesräten im Auto oder fliege mit einem Helikopter auf einen Berg. Das sind Erlebnisse, Eindrücke und Begegnungen, die ich nur dank meines Jobs habe.»