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Machtkampf in Bolivien Die Blockaden der Morales-Anhänger kosten Menschenleben

Medizinische Güter wie Sauerstoff für Coronakranke und für zu früh geborene Babys können nicht rechtzeitig geliefert werden.

Vom Tiefland aus versucht ein Konvoi von Tankfahrzeugen in die Städte Cochabamba und La Paz in den Anden vorzudringen. Trotz des militärischen Begleitschutzes kommen die Transportfahrzeuge nicht wirklich voran. Wegen Blockaden sind sie gezwungen, ständig auf alternative Routen auszuweichen. So verspäten sie sich entsprechend.

Mit dem geladenen Sauerstoff eilt es aber: Er ist für die schwer an dem Coronavirus erkrankten Menschen auf den Intensivstationen bestimmt. Auch Frühgeborene, die künstlich beatmet werden müssen, können ohne Sauerstoff nicht überleben.

Gegen die Verschiebung von Neuwahlen

Vordergründig richten sich die Blockaden gegen die Verschiebung der Neuwahlen. Sie sollen das Ende einer Übergangsregierung besiegeln, die seit der Absetzung des linken Staatschefs Evo Morales amtiert. Ihm wurde letzten Oktober Betrug vorgeworfen, als er sich wiederwählen lassen wollte.

Unter dem Druck der Corona-Epidemie zögern sich die Neuwahlen nun aber hinaus. Von Anfang Mai wurden sie erst auf September verschoben, später auf den 18. Oktober.

Fragwürdige Mittel

Den Anhängern von Morales ist das zu spät. Doch hinter den Kulissen tobt in Bolivien ein erbitterter Machtkampf zwischen der rechtskonservativen Übergangsregierung und der Linken um Morales. Die Linke wie die Rechte gehen im Hinblick auf die Wahlen aufs Ganze. Auf beiden Seiten sind die Mittel fragwürdig.

Die Linken haben einen überaus populären Kandidaten ins Rennen geschickt. Es ist Morales' ehemaliger Wirtschaftsminister, der mehr als ein Jahrzehnt lang alle Sozialprogramme für Indigene und Arme auf den Weg gebracht hat. Die Sozialisten um Morales versprechen sich mit dieser Kür, jeden der vielen rechtsgerichteten Gegenkandidaten schon in der ersten Runde auszuschalten.

Dies, zumal man in Bolivien auch mit nur 40 Prozent aller Stimmen auf Anhieb die Macht erlangen kann, immer vorausgesetzt, der Zweitplatzierte kommt auf mehr als zehn Prozent.

Rückstand auf den Sieger

Die nach dem Sturz von Morales ans Ruder gekommene Rechtsregierung ist ihrerseits in der Offensive. Ihre interimistisch amtierende Chefin tritt nun selbst als Präsidentschaftsanwärterin auf – allein mit dem Ziel, die Linke von der Macht fernzuhalten. Jeanine Anez träumt dabei nicht einmal von einem neuen Staatspräsidium für sich selbst.

Es würde ausreichen, eine Stichwahl heraufzubeschwören und dann den aussichtsreichsten aller schwachen Rechtskandidaten mit dem Geld aus der offiziellen Propagandakasse zu unterstützen. Und die Linke wäre gebodigt.

Bis jetzt sind dies Ränkespiele um die Macht. Aber sie kosten Menschenleben um Menschenleben.

Rendez-vous vom 13.08.2020

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