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Tote bei Essensausgabe Was ist in Gaza bei der Essens-Ausgabestelle geschehen?

Bei israelischem Beschuss im Gazastreifen sind laut den örtlichen Gesundheitsbehörden mehrere Palästinenser in der Nähe einer Essens-Ausgabestelle getötet worden. Es handelt sich um eine Ausgabestelle der Gaza Humanitarian Foundation (GHF). Das israelische Militär teilt mit, es sei über Berichte von Opfern informiert und untersuche den Vorfall. UNO-Generalsekretär António Guterres zeigt sich entsetzt und fordert eine unabhängige Untersuchung. SRF-Auslandredaktorin Susanne Brunner ordnet ein.

Susanne Brunner

Leiterin Auslandredaktion

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Susanne Brunner war für SRF zwischen 2018 und 2022 als Korrespondentin im Nahen Osten tätig. Sie wuchs in Kanada, Schottland, Deutschland und in der Schweiz auf. In Ottawa studierte sie Journalismus. Bei Radio SRF war sie zuerst Redaktorin und Moderatorin bei SRF 3. Dann ging sie als Korrespondentin nach San Francisco und war nach ihrer Rückkehr Korrespondentin in der Westschweiz. Sie moderierte auch das «Tagesgespräch» von Radio SRF 1. Seit September 2022 ist sie Leiterin der Auslandredaktion von Radio SRF.

Hier finden Sie weitere Artikel von Susanne Brunner und Informationen zu ihrer Person.

Was weiss man zu den Toten?

Bei der Nahrungsmittelverteilung am Sonntag in Rafah, im Süden des Gazastreifens, gab es Tote und Verletzte: so viel ist klar. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen, welche sich um die Versorgung von Verletzten kümmert, spricht von «Dutzenden» von Toten, «weitere Hunderte» seien verletzt worden. Die Hamas und diverse Augenzeugen und Augenzeuginnen sagen, israelische Soldaten hätten auf die riesige Menschenmenge geschossen, die zur Nahrungsmittelverteilung gekommen waren. Die israelische Armee bestreitet das und hat eine Drohnenaufnahme veröffentlicht, auf der bewaffnete, maskierte Männer auf Zivilisten schiessen. Verifiziert ist das Video noch nicht.

Palästinenser tragen Kisten und Taschen mit Lebensmitteln
Legende: Khan Younis im südlichen Gazastreifen: Palästinenser tragen Kisten und Taschen mit Lebensmitteln und Hilfspaketen, die von der Gaza Humanitarian Foundation, einer von Israel anerkannten und von den USA unterstützten Organisation geliefert wurden. (1. Juni 2025) KEYSTONE/AP/ABDEL KAREEM HANA

Welche Rolle spielt die Hamas?

Die Hamas-Chefs haben zum Boykott der Nahrungsmittelverteilung der GHF aufgerufen, weil sie der Organisation vorwirft, mit dem Aushungern der Bevölkerung Politik zu machen und die Menschen gezielt dorthin zu locken, wo sie die israelische Armee haben will. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Hamas die Menschen mit Gewalt am Empfang von Nahrungsmittelpaketen hindert.

Welche Rolle spielt die israelische Armee?

Die israelische Armee bombardiert und beschiesst den Gazastreifen Tag und Nacht und hat eben erst ihre Bodenoffensive nochmals verstärkt. Internationale Hilfsorganisationen, Augenzeugen und Augenzeuginnen im Gazastreifen und Staatschefs (unter anderem von Grossbritannien, Kanada, Frankreich und Deutschland) kritisieren die humanitäre Katastrophe im Gazastreifen und monieren, es sei unklar, was Israel im Gazastreifen noch bezwecke.

Palästinenser und Palästinenserinnen tragen Säcke mit Essen und weiteren Hilfsgütern
Legende: Geschwächt von Hunger und Krieg machen sich Zehntausende zu Abgabestellen für die Nahrungsmittelverteilung auf, viele müssen kilometerlange Strecken zu Fuss zurücklegen. (28. Mai 2025) KEYSTONE/AP/ABDEL KAREEM HANA

Wird mit der GHF Hunger politisch eingesetzt?

Die GHF ist erst im Februar 2025 gegründet worden, es ist unklar, wie sie sich finanziert. In Hilfswerkskreisen ist die Organisation nicht bekannt, und sie hat keine Erfahrung mit der massenhaften Verteilung von Nahrungsmittel in einem solchen Umfeld. Ihr Chef, Jack Woods, trat am 25. Mai zurück, weil er den Auftrag für nicht vereinbar mit humanitären Prinzipien hält. Die UNO und andere etablierte Hilfswerke werfen den USA und Israel vor, sie würden mit der GHF Hunger gezielt als politische Waffe einsetzen.

Gaza Humanitarian Foundation

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Die umstrittene Gaza Humanitarian Foundation (GHF) hat seit Beginn ihrer Arbeit vor wenigen Tagen nach eigenen Angaben mehr als zwei Millionen Mahlzeiten an Bewohner des Gazastreifens verteilt. Bisher seien drei Verteilzentren der Stiftung in dem Gebiet geöffnet.

Die Nahrungsmittelverteilung der Stiftung wird international kritisiert. So schreibt etwa die Organisation Ärzte ohne Grenzen, am ersten Tag der Verteilung seien zahlreiche Menschen verletzt worden, auch seien sie durch Zäune eingepfercht worden. Weiter kritisiert die Organisation, dass die Hilfe nicht dort ankomme, wo sie am dringendsten benötigt werde.

Die 2025 gegründete GHF wird von Israel und den USA unterstützt. Die GHF organisiert die Verteilung von Hilfsgütern vor Ort mit privaten amerikanischen Sicherheitsfirmen. Hilfsorganisationen der UNO und anderer Initiativen sollen so umgangen werden. Die UNO üben Kritik daran.

Welche Ziele verfolgt Israel mit der Kontrolle über die Nahrungsmittelverteilung?

Laut eigenen Angaben will Israel sicherstellen, dass die Menschen im Gazastreifen nicht verhungern. Gleichzeitig gibt es in der Regierung Minister, die offen dazu aufgerufen haben, die Bevölkerung verhungern zu lassen und zu vertreiben. Israel behauptet, mit dem System der Nahrungsmittelverteilung wolle es sicherstellen, dass Lebensmittel nicht in die Hände der Hamas fallen. Gleichzeitig gibt es den Plan, die Bevölkerung im Gazastreifen auf engstem Raum zusammenzutreiben, damit die israelische Armee die Kontrolle über den Gazastreifen besser übernehmen kann. Die Nahrungsmittel-Ausgabestellen werden dort positioniert, wo die Bevölkerung hingetrieben werden soll.

Krieg im Nahen Osten

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Die Konflikte in Israel, im Westjordanland, im Gazastreifen und in Libanon halten an. Hier finden Sie alle unsere Inhalte zum Krieg im Nahen Osten.

Radio SRF 4 News, 2.6.2025, 00:30 Uhr ; 

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