Andrej Suchowoi war mitten im zweiten Studienjahr, als Russland am 24. Februar 2022 seinen grossflächigen Angriffskrieg auf die Ukraine startete. Wie viele andere Ukrainer – und auch einige Ukrainerinnen – meldete er sich zum Militärdienst. Zwei Jahre lang war Suchowoi mit seinem Bataillon in den Regionen Kiew, Charkiw und Donezk im Kampfeinsatz. Danach konnte er das Studium nahtlos wieder aufnehmen.
Als Leiter des Zentrums für Veteranenentwicklung betreut Suchowoi heute selbst andere Veteranen bei ihrer Rückkehr ins zivile Leben und beruflichen Neuausrichtung an der Nationalen Luftfahrt-Universität (NAU) in Kiew. Hier erhalten die Ex-Soldaten einen vereinfachten Zugang zu Studiengängen – staatlich finanziert, ohne Aufnahmeprüfung, nach Bestehen eines Psychologietests. Somit ist die NAU eine der ersten Universitäten, die die neue staatliche Integrationsstrategie für Veteranen umsetzt.
Nur wenige kehren in die Branche zurück, in der sie vor dem Krieg gearbeitet haben.
Suchowoi begrüsst solche Massnahmen: «Ich denke, nur wenige kehren in die Branche zurück, in der sie vor dem Krieg gearbeitet haben. Die meisten wechseln die Branche, wollen etwas Neues machen.» Er sieht Bildungseinrichtungen in der Pflicht, einen Integrationsbeitrag für jene zu leisten, die gerade das Land verteidigen. «Für die Jungs da draussen ist es wichtig, zu wissen, dass es nach dem Krieg noch etwas für sie gibt.»
In einer staatlichen Umfrage im Jahr 2024 gaben rund zwei Drittel der Veteranen an, Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche zu haben. Rund ein Drittel hat demnach auch ein Jahr nach dem Kriegseinsatz keine Anstellung. Zusätzlich berichten viele Veteranen von bürokratischen Hürden, die den Zugang zu staatlichen Leistungen erschwerten.
Wir haben einen Fachkräftemangel. Wir brauchen die Veteranen.
Nebst der medizinischen Rehabilitation ist auch die Arbeitsintegration eine Herausforderung für den Staat, der sich dieser nach und nach annimmt. Die Ministerin für Veteranenangelegenheiten, Natalia Kalmykova, sieht das grösste Problem darin, dass die meisten Veteranen gar nicht informiert seien, welche Hilfe ihnen eigentlich zustehen würde: «Wir müssen ein strukturiertes System aufbauen, damit die Veteranen verstehen, wo sie was bekommen.»
Bei der Arbeitsintegration sieht sie Fortschritte, auch wenn es noch immer Arbeitgeber gäbe, die Vorurteile gegenüber Veteranen und deren psychischer Belastbarkeit hätten: «Wir betreiben eine digitale Jobbörse, auf der mehr als 28'000 freie Stellen spezifisch für Veteranen ausgeschrieben sind. Dafür arbeiten wir mit Unternehmen zusammen. Wir haben derzeit einen Fachkräftemangel. Wir brauchen die Veteranen.»
Veteranen als Ressource zu integrieren, statt sie als Belastung anzusehen – dafür werben neu auch immer mehr ukrainische Firmen. Initiiert durch ein Medienunternehmen haben sich dieses Jahr zahlreiche grosse Unternehmen öffentlich dazu bekannt, ein «Veteran-Friendly Business» zu werden. Das heisst unter anderem: Sie wollen Veteranen aktiv einstellen, ausbilden und bei der psychologischen Rehabilitation unterstützen.
Es sind freiwillige Zusagen, die nicht verpflichtend und von aussen nicht überprüfbar sind. Doch die Initiative nimmt auch die Privatwirtschaft und die Gesellschaft in die Pflicht, einen Beitrag zur Reintegration der Veteranen zu leisten und die Verantwortung nicht allein auf den Staat abzuwälzen.