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Nach Taliban-Machtübernahme Menschen aus Afghanistan erhalten kaum humanitäre Visa

Die Schweiz wird von Anfragen zu humanitären Visa für Afghanen überhäuft. Nur ein Bruchteil wird positiv beantwortet.

Wie viele Flüchtlinge aus Afghanistan soll die Schweiz aus humanitären Gründen aufnehmen? Seit der Machtübernahme der Taliban klaffen die Meinungen dazu in Bundesbern auseinander.

Für den Bundesrat kam eine Direktaufnahme von Flüchtlingen bislang nicht infrage. Es gebe noch gar keine Anfragen aus Afghanistan selbst, hiess es anfänglich.

Inzwischen hat sich die Lage geändert. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) wird von Anfragen zum Thema humanitäre Visa und Familienzusammenführungen förmlich überhäuft. Rund 7800 seien bis dato eingegangen, wie das SEM auf Nachfrage bestätigt.

Bisher nur drei Anfragen positiv beantwortet

Zwar würden manche nur ihre generellen Sorgen zur Situation in dem Land ausdrücken wollen. Bei den meisten Anfragen gehe es aber doch um Familienangehörige aus Afghanistan. Gerade mal drei dieser Antworten hat das SEM bisher mit einer positiven Einschätzung, dass ein humanitäres Visum in diesem Fall möglich sei, beantwortet.

Dass die Schweiz die bürokratischen Hürden derart hoch ansetzt, ist nicht im Sinne der humanitären Tradition.
Autor: Fabian Molina Nationalrat (SP/ZH)

SP-Nationalrat Fabian Molina bringt für diesen Entscheid kein Verständnis auf: «Dass die Schweiz die bürokratischen Hürden und gesetzlichen Vorgaben derart hoch ansetzt, ist nicht im Sinne der humanitären Tradition.» Das SEM begründet sein Vorgehen damit, dass nur diese drei Anfragen den Vorgaben entsprochen hätten, die es für die Ausstellung eines humanitären Visums brauche. Die Machtübernahme der Taliban allein genüge als Grund für ein solches nicht.

Grundsätzlich mache das SEM nur Vorabklärungen, ob ein humanitäres Visum überhaupt infrage komme. Eingereicht werden müsste ein Antrag auf ein humanitäres Visum bei einer offiziellen Vertretung der Schweiz.

Das SEM legt den Ermessensspielraum wahnsinnig restriktiv aus.
Autor: Fabian Molina

Nationalrat Molina entgegnet, die Behörde verstecke sich hinter Paragrafen. «Das SEM legt den Ermessensspielraum seit Beginn der Afghanistankrise wahnsinnig restriktiv aus», kritisiert er. Die geringe Zahl humanitärer Visa sei ein politischer Entscheid.

Ähnlich sieht das Sarah Progin-Theuerkauf. Sie ist Professorin für Migrationsrecht an der Universität Freiburg. Rechtlich gesehen wäre durchaus Handlungsspielraum vorhanden, betont sie. Die Schweiz als souveräner Staat könne so viele Visa austeilen, wie sie wolle.

Rein rechtlich wäre es möglich, die Visapraxis grosszügiger zu gestalten.
Autor: Sarah Progin-Theuerkauf Professorin für europäisches Migrationsrecht

In diesem Fall sei es aber wohl eher eine politische Frage, wie viele Visa man austeilen und wie restriktiv man dies handhaben wolle. «Rein rechtlich wäre es sicher möglich, die Visapraxis grosszügiger zu gestalten», so die Expertin.

Die Schweiz kann nicht im Alleingang irgendwelchen Menschen ein humanitäres Visum versprechen.
Autor: Andri Silberschmidt FDP-Nationalrat

Anderer Meinung ist FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt. Er verteidigt die Politik seiner Bundesrätin, Justizministerin Karin Keller-Sutter. «Die Schweiz kann nicht im Alleingang irgendwelchen Menschen ein humanitäres Visum versprechen, wenn wir nicht einmal vor Ort verifizieren können, wer diese Menschen sind», argumentiert er. Es sei verantwortungslos, ohne vorherige Absprachen mit den EU-Ländern vorzupreschen.

Im Gegensatz zu seinem SP-Kollegen hält Silberschmidt vor allem die Hilfe Ort und via UNO-Flüchtlingshilfswerk für zentral. Die Diskussion um die Aufnahme von Geflüchteten aus Afghanistan dürfte also weiter andauern.                

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