Zum Inhalt springen

Beziehungen Schweiz-EU «Wenn Schutzmassnahmen stimmen, werden wir für Verträge kämpfen»

Die letzten EU-Verhandlungen sind mitunter am Widerstand der Gewerkschaften gescheitert. Nun unterstützt der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) das Verhandlungspaket der Schweiz – mit Ausnahme des Stromabkommens. Daniel Lampart, der Chefökonom des SGB, äussert sich erstmals zum neuen EU-Vertragswerk, das der Bundesrat vergangene Woche in die Vernehmlassung geschickt hat.

Daniel Lampart

Ökonom

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Daniel Lampart ist Chefökonom und Leiter des Sekretariats des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB).

SRF: Daniel Lampart, der Gewerkschaftsbund hat seine Meinung geändert?

Daniel Lampart: Meinung geändert … Wir sagten immer: Die Löhne der Leute sind nicht verhandelbar. Dies setzen wir nicht aufs Spiel. Was bisher verhandelt wurde, reichte uns nicht. Die Löhne waren nicht gewährleistet. Jetzt haben wir Verbesserungen und können sagen, dass der Lohnschutz gesichert ist. Es ist die gleiche Position, aber ja, wir haben die Meinung geändert, weil sich etwas verbessert hat, weil viele Probleme gelöst sind.

Wir gehören in dieses Europa und wir wollen eng zusammenarbeiten und dafür sorgen, dass es besser wird für die Leute.

Das heisst, der Gewerkschaftsbund wird das neue Vertragswerk der Schweiz mit der EU unterstützen?

Wir werden Ja sagen, wenn die Lohnschutzmassnahmen Bestand haben. Wenn das Parlament die Lohnschutzmassnahmen verabschiedet, die wir mit den Arbeitgebern und der Staatssekretärin für Wirtschaft ausgehandelt haben. In diesem Fall werden wir nicht nur Ja sagen, wir werden uns auch aktiv für das Verhandlungspaket einsetzen. Wir gehören in dieses Europa und wir wollen eng zusammenarbeiten und dafür sorgen, dass es besser wird für die Leute.

Kleine EU- und Schweiz-Flaggen auf Tisch.
Legende: Der Schweizerische Gewerkschaftsbund SGB unterstützt derzeit das Verhandlungspaket der Schweiz – mit Ausnahme des Stromabkommens. Keystone / GAETAN BALLY

Sie werden in einer allfälligen Volksabstimmung dafür kämpfen?

Ja, wir werden dafür kämpfen.

Studien des Bundes kommen zum Schluss, dass sich die Verträge wirtschaftlich lohnen. Teilen Sie diese Meinung?

Dass sie positiv sind, das ist klar. Dies besagen die Studien. Wie viel es ausmacht, das hängt von den Annahmen ab. Diese Studien arbeiten mit Annahmen aus einer Zeit, bevor diese Spannungen in der Welt auftraten, vor dem Ukraine-Krieg. Ökonomen arbeiten oft mit etwas veralteten Daten. Ich meine, dass diese Verträge noch wichtiger geworden sind, wirtschaftlich, aber auch politisch. Wir müssen zusammenhalten in Europa, schauen, dass es der Bevölkerung gut geht, auch der Demokratie. Dafür sind diese Verträge noch wichtiger geworden. Die EU ist eine stabile Partnerin und ein sehr wichtiger Exportmarkt für uns.

Wie steht es mit dem Stromabkommen, einem Teil des Vertragswerks? Da ist vorgesehen, dass auch die Haushalte frei ihren Anbieter wechseln können, also liberalisiert wird? Ihr Präsident, der SGB-Präsident und Waadtländer SP-Ständerat Pierre-Yves Maillard, sagte, es sei eine «ökologische Katastrophe». SP-Nationalrat Eric Nussbaumer hat gekontert, diese Aussage sei böser Wille und Inkompetenz.

Es ist gerade etwas sehr polemisch zu- und hergegangen. Es ist für die Leute nicht nachvollziehbar, wenn man sich so streitet. Die Medien dagegen haben Freude.

Wenn die Liberalisierung bleibt, so wie sie vorgesehen ist, lehnen wir das Stromabkommen ab.

Wichtig ist, dass man es versteht: In dem Abkommen muss dieser Strommarkt geöffnet werden für alle Kunden. Ein Elektrizitätswerk Zürich wird es zum Beispiel mehr geben. Es wird, wie in der EU, ein sogenannt liberalisiertes Modell geben, mit Wechseln hin und her und schwankenden Preisen in der Krise und einer Grundversorgung, die schlecht funktioniert und teurer ist.

Das heisst, der SGB lehnt das Stromabkommen ab?

Wir haben einen Beschluss: Wenn die Liberalisierung bleibt, so wie sie vorgesehen ist, lehnen wir dieses Abkommen ab.

Das Gespräch führte Karoline Arn.

Tagesgespräch, 16.6.2025, 13 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel