Der Flughafen Zürich hat am Sonntag einen Rekord vermeldet: Erstmals seit 2019 sind wieder über 100'000 Menschen an einem Tag verreist.
Noch vor Kurzem hiess es, die Schweizerinnen und Schweizer würden nach der Corona-Pandemie nie mehr so viel ins Ausland fliegen wie davor. Der Begriff der Flugscham machte die Runde. Statt nach Bali oder Miami würden Ferien im Berner Oberland oder im Wallis beliebter. Doch damit scheint jetzt Schluss zu sein. Im Juni verzeichneten die Schweizer Hotels 4.2 Prozent weniger Übernachtungen inländischer Gäste als im Vorjahresmonat. Was ist passiert?
Starke Sehnsucht und volle Portemonnaies
«Nach Corona soll man das Reisen wieder geniessen», so eine Passagierin gegenüber SRF zum Ferienstart am Flughafen Zürich. Dieses Gefühl ist gemäss den Experten weit verbreitet. «Die Menschen haben Nachholbedarf», sagt Christian Laesser. Er doziert an der HSG im Bereich Tourismus.
Die Pandemie habe nicht nur für Nachholbedarf gesorgt, sondern auch Ersparnisse ermöglicht, erklärt sein Kollege Michael Stiebe von der Hochschule Luzern: «Durch das vermehrte Arbeiten im Homeoffice haben die Menschen Geld gespart. Damit können sie auf die gestiegenen Preise reagieren.»
Das ist auch notwendig, denn das Fliegen ist deutlich teurer geworden als vor der Pandemie. Die Zeit der Billigstflüge scheint vorbei. In Zukunft könnte es die Schweiz zudem anderen Staaten gleichtun und eine Flugticketabgabe einführen. Wie stark eine solche das Flugverhalten der Menschen beeinflussen würde, ist allerdings umstritten.
Bestehende Kompensationsangebote der Airlines stossen bislang auf wenig Interesse . Deshalb machen bereits aggressivere Vorschläge, die die Flugmeilen pro Person begrenzen oder stärker besteuern wollen, die Runde.
Bis auf Weiteres wird aber weiter geflogen – und die Bilder davon munter geteilt. Im Zeitalter der sozialen Medien scheint das Bedürfnis, an fremde – aber eben doch bekannte – Orte zu reisen, gestiegen zu sein.
In den USA, wo die Reisezahlen nach Europa derzeit explodieren, spricht man schon vom «Emily-in-Paris-Effekt». Die beliebte Netflix-Serie habe für einen wahren Boom gesorgt. «Ich habe noch nie so viele rote Berets gesehen», erklärt ein Reiseführer gegenüber der «New York Times» .
Die Welt ist in Bewegung
Bei Schweiz Tourismus hält sich die Enttäuschung über die gesunkene Anzahl inländischer Gäste in Grenzen. «Die Schweizerinnen und Schweizer entdeckten während der Pandemie erfreulicherweise ihr eigenes Land wieder. Wir wussten, dass das nicht ewig hält», so Mediensprecher Markus Berger.
Was die Sorgenfalten der Touristiker geglättet haben dürfte: Die ausländischen Touristen machen die Verluste mittlerweile wohl wieder wett. Ganze 23 Prozent mehr Logiernächte von ausländischen Gästen gab es gemäss dem Bundesamt für Statistik (BFS) in diesem Juni im Vergleich zum Vorjahresmonat.
Das Wiedererstarken des Flugverkehrs ist kein rein schweizerisches Phänomen. Das Flugdatenportal Flightradar24 registrierte vor einigen Tagen weltweit gar so viele Flugbewegungen wie noch nie. Und das dürfte erst der Anfang sein. Noch fliegt nämlich nur ein kleiner Teil der Menschheit. Der Dachverband der Fluggesellschaften IATA schätzt, dass sich die Zahl der weltweiten Flugpassagiere bis 2040 verdoppeln wird.