Der Direktor des Wirtschaftsverbandes Scienceindustries für Pharma und Chemie, Stephan Mumenthaler, versteht die Forderungen des US-Präsidenten nach tieferen Medikamentenpreisen. Die US-Zollpolitik hingegen werde das Wachstum der Pharmabranche in der Schweiz stagnieren lassen.
SRF News: Die Entwicklung der Pharmabranche in der Schweiz ist eine Erfolgsgeschichte. Nun kündet Roche an, 12'000 Stellen in den USA zu schaffen. Ist damit das Wachstum der Pharmabranche hierzulande zu Ende?
Stephan Mumenthaler: Ich persönlich gehe von einer Stagnation aus. Die grosse Wachstumsphase in der Pharmaindustrie ist in der Schweiz vorbei, aber ich gehe nicht von einer Schrumpfung aus. Es hängt davon ab, wie sich die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz innerhalb Europas und der Welt entwickelt. Wenn wir die Entwicklung der letzten 20 bis 30 Jahre anschauen, macht die Stärke des Standortes Schweiz aus, dass wir die ganze Wertschöpfungskette abdecken. Von der Forschung und Entwicklung zur Produktion und Distribution sowie Hauptquartierfunktion. Wenn nun beispielsweise die Produktion kleiner wird, gibt es noch viele andere Bereiche.
Wir leben in einer globalisierten Welt und die Unternehmen passen sich fortlaufend an.
Roche und Novartis investieren grosse Summen in den USA – könnten sie auch den Hauptsitz verlegen?
Das kann jederzeit der Fall sein. Wir leben in einer globalisierten Welt und die Unternehmen passen sich fortlaufend an. Ausschlaggebend wäre nicht die Zollfrage. Für eine Verlegung des Hauptsitzes sind ganz andere Fragestellungen relevant: die Steuergesetzgebung, Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal, und so weiter.
Das klingt nicht nach einem kategorischen Nein. Haben sie Anzeichen für einen Abzug?
Nein, diese habe ich nicht. Aber was ich betonen möchte: Es ist nicht selbstverständlich, dass diese Pharmafirmen da sind und da bleiben. Man muss fortwährend dafür kämpfen, weil die Firmen immer alles dort machen, wo die Umstände, die Gegebenheiten am besten sind.
Sind die Hauptbetroffenen die KMU?
Das ist grundsätzlich so. Die grösseren Firmen haben bereits globalisierte Netzwerke, haben Produktionen überall, und sind dadurch flexibler. Sie können sich an diese Situationen besser anpassen. Wer keine Möglichkeiten hat, die Produktionsbedingungen zu verändern, droht den US-Markt zu verlieren.
Wenn wir in die Vergangenheit schauen, ist es tatsächlich so, dass ein grosser Teil der Forschungsausgaben aus den USA kam. In diesem Punkt hat Trump recht.
Donald Trump fordert für die USA gleich hohe Medikamentenpreise wie in vergleichbaren Ländern, wie der Schweiz. Ist diese Forderung nachvollziehbar?
Ja. Mich persönlich erinnert es an die Nato-Debatte. Der Zugang zu Medikamenten ist vergleichbar mit der öffentlichen Sicherheit: Alle möchten es haben, aber niemand will es bezahlen. Donald Trump forderte bereits bei der Nato, dass Europa mehr ausgeben soll. Wenn wir in die Vergangenheit schauen, ist es tatsächlich so, dass ein grosser Teil der Forschungsausgaben aus den USA kam. In diesem Punkt hat er recht.
Das Gespräch führte Karoline Arn.